Ballacks Saison der Extreme

Es war eine Saison der Qualen, Schmerzen und Hoffnungen für Michael Ballack - und das bis zum letzten Anpfiff des EM-Spieljahres.
Wien (dpa) - Es war eine Saison der Qualen, Schmerzen und Hoffnungen für Michael Ballack - und das bis zum letzten Anpfiff des EM-Spieljahres. Lange war vor dem Endspiel der Fußball-Europameisterschaft über den Gesundheitszustand des deutschen Kapitäns gerätselt worden. Doch als um 20.46 Uhr gegen Spanien das Unternehmen Titelgewinn startete, war der 31-Jährige in seinen roten Fußballschuhen dabei.
Wieder hatte die rechte Wade gezwickt, wie schon beim Start in den WM-Sommer 2006. Damals hatte er passen müssen, im EM-Endspiel ging Joachim Löw das Risiko ein. Der Bundestrainer schickte seinen Kapitän trotz der gesundheitlichen Probleme als Anführer der DFB-Elf auf den Rasen.
Dass es der Profi des FC Chelsea überhaupt versuchen würde, stand erst 75 Minuten vor dem Spielbeginn fest. Nicht nur Fußball-Deutschland atmete auf, auch der Mittelfeldakteur selbst. Getrieben von dem tiefen Verlangen nach seinem ersten internationalen Titel musste er nicht wie beim WM-Endspiel 2002 gelb-gesperrt zuschauen, sondern durfte auf dem Rasen mitmachen. Beim Aufwärmprogramm sah es aus, als mache die Blessur keine Probleme - selbst bei explosiven Antritten und Schussversuchen nicht.
Dass die Ballack'sche Leidensgeschichte so kurz vor dem Finale eine Fortsetzung fand, passte irgendwie ins Bild: Erst waren die eigenen Zweifel, ob es nach zwei Operationen am linken Sprunggelenk, monatelanger Pause und mehreren gesundheitlichen Rückschlägen überhaupt noch weitergeht für ihn mit dem Spitzenfußball. Es folgten die nervenaufreibenden Wochen in der Rehabilitation, dann die Comebacks beim FC Chelsea im Dezember 2007 und in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zwei Monate später beim 3:0 gegen Österreich.
Angriff auf den EM-Titel
Schließlich begann ein körperlich gestärkter Ballack den Angriff auf den EM-Titel. "Wenn man acht Monate weg ist, ist das keine Lappalien-Verletzung", erinnerte Ballack, der das 4:2 im WM- Eröffnungsspiel 2006 gegen Costa Rica nur als Zuschauer erlebt hatte.
Zwar war es damals wie heute die Wade, aber die viel schwerere Verletzung hatte er sich im April 2007 im Punktspiel bei Newcastle United (0:0) zugezogen. Erst nach einer Untersuchung von Nationalmannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in München wurde bei einer Operation ein Knorpelstück aus dem Gelenk entfernt, was zu heftigen Debatten mit Ballacks Arbeitgeber FC Chelsea führte.
Später musste Teamarzt Bryan English eingestehen, bei seiner ersten Diagnose falsch gelegen zu haben - doch die Probleme gingen weiter. Erst am 19. Dezember 2007 beim 2:0-Sieg im Ligapokal-Viertelfinale gegen den FC Liverpool stand der 31-Jährige in der 68. Spielminute endlich wieder auf dem Platz. "Ich hoffe, 2008 wird für mich das Jahr der Titel: Erst die Champions League, dann die Europameisterschaft", sagte der genesene Ballack kurz danach.
Überraschend schnell fand Ballack wieder zu guter Form, präsentierte sich im Saison-Endspurt beim FC Chelsea physisch stark wie nie, auch wenn er den Gewinn der englischen Meisterschaft und der Champions League jeweils knapp hinter Manchester United verpasste.
"Es hat ihm gutgetan, dass er die körperlichen Grundlagen in Ruhe legen konnte", bemerkte Löw. In den fünf EM-Spielen bis zum Wiener Finale am Sonntag gegen Spanien rannte Ballack so viel und so schnell wie kein anderer deutscher Spieler.