Skirennen im Oktober sind nicht mehr zeitgemäß

Der alpine Ski-Weltcup startet am Samstag im österreichischen Sölden mit Gletscherrennen in die Saison / Umweltschützer wie Ex-Skirennfahrer Felix Neureuther üben Kritik
Felix Neureuther hat in den vergangenen Tagen viele Anrufe bekommen. Nicht alle, sagt der ehemalige Skirennläufer, waren angenehm. Vor allem nicht die aus Österreich. Jack Falkner, der Geschäftsführer und Miteigentümer der Bergbahnen von Sölden, ließ Neureuther am Telefon deutlich wissen, was er von dessen Kritik an den Gletscherrennen hält. Seit rund 30 Jahren findet Ende Oktober am Rettenbachferner der Weltcup-Auftakt statt. Der ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den Ort, für das ganze Tal. Die Skiindustrie hatte sich einst für so einen frühen Start in den Winter stark gemacht, um das Weihnachtsgeschäft anzukurbeln. Und nun kommt Neureuther und findet, das sei alles nicht mehr zeitgemäß.
Da prallen Interessen aufeinander. Sölden ist nach dem Pandemie-Lockdown froh, dass der Weltcup dieses Mal wieder fast wie früher stattfinden kann. Zwar ein paar weniger Zuschauer als vor Corona dürfen zu den Riesenslaloms der Frauen am Samstag und Männer am Sonntag hinauf auf den Gletscher. Aber es ist wieder Publikum da, die Hotels und Pensionen sind voll. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als die Rennen ganz ohne Zuschauer stattfinden mussten. Neureuther hat Verständnis, „und ich will sie ihnen auch gar nicht wegnehmen“, sagt er. „Sölden macht einen super Job.“ Er muss es wissen, stand er doch selbst viele Jahre dort am Start.
Das hat er nun Falkner und den anderen aufgeregten Anrufern, versucht zu erklären, aber eben auch, dass man darüber diskutieren müsse, ob so ein Saisonauftakt nicht drei Wochen später, näher am Winter, besser passt. „Man müsste dann natürlich den kompletten Weltcupkalender neu aufstellen“, sagt Neureuther. Der spätere Saisonstart aber hätte den Vorteil, dass die Athleten nicht wie jetzt schon Ende Juli oder spätestens im August mit dem Schneetraining beginnen müssten. „Dann würde September reichen“.
DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier gibt Neureuther im Prinzip Recht, man müsse das Ökologie-Thema im Fokus haben. Aber er gehe es „etwas anders an“, weil er mittendrin steckt und nicht von außen darauf schaut, wie mittlerweile Neureuther. Mit dem Gletscherrennen in Sölden Ende Oktober habe er kein Problem, sagt Maier. „Das ist ein Klassiker.“ Als der Weltverband Ende der achtziger Jahre damit begonnen hat, Weltcuprennen im Herbst auf den Gletschern der Alpen zu veranstalten, war die Begeisterung bei sportlich Betroffenen nicht besonders groß, weil er mitten in die Vorbereitung fiel. „Mittlerweile hat man sich daran gewöhnt“, sagt Maier. „Man nimmt es als Orientierung.“ So sieht es auch Stefan Luitz, neben dem allerdings leicht lädierten Alexander Schmid (Patellasehnenentzündung) aussichtsreichster deutscher Starter am Wochenende in Sölden. Nach dem Wechsel der Skimarke ist der Riesenslalom am Sonntag für den Allgäuer ein erster Gradmesser, und der kommt so früh für ihn in diesem Jahr gerade recht. Es gehe darum, „mit Attacke und Selbstvertrauen gut Ski zu fahren“, sagt Luitz.
Weniger über Sölden, findet Maier, solle man sich Gedanken, sondern vielmehr über die geplante Gletscher-Abfahrten von Zermatt, die künftig Anfang November stattfinden sollen, und das „nicht nur aus ökologischen Gesichtspunkten“. Für die Abfahrer ist der November die trainingsintensivste Zeit, die müsste man aber nach vorne verlegen, wenn die ersten schnellen Rennen schon vier Wochen früher als bisher stattfinden würden. Und das würde noch mehr Gletschertraining erfordern, statt sich wie bisher in den Skigebieten von Colorado auf den Start in Lake Louise vorzubereiten.
Dabei versucht man beim Deutschen Skiverband schon länger, das Gletschertraining zu reduzieren. Vor allem bei den Nachwuchskadern, „muss bis Mitte September niemand auf die Gletscher, das kann man auch anders machen“, sagt Maier – ganz im Sinne von Neureuther. Und des Umweltschutzes.