Nischenklubs bestreiten ein Spitzenspiel

Der FSV Mainz 05 und der SC Freiburg machen mit weniger mehr und versprechen im direkten Aufeinandertreffen einen harten Kampf.
Es gehört vor fälligen Bundesligaspielen zur allgemeinen Verschlagwortung, dass Trainer vor dem Anpfiff nur gute Worte für die Gegenseite übrighaben. Dieser ritualisierte Wortmüll ist es in der Regel nicht wert, zitiert zu werden. Im Fall der notorischen Überperformer aus Mainz und Freiburg, die am Samstag (15.30 Uhr) zum Bundesliga-Spitzenspiel aufeinanderprallen, sei eine Ausnahme gestattet. SC-Chefcoach Christian Streich kriegt sich nämlich gar nicht wieder ein, wenn er sein Füllhorn des Lobes über den Kollegen Bo Svensson und dessen Mannschaft ausschüttet.
Er habe, sagt Streich, schon vor der Saison im kleinen Kreis vorausgesagt, dass Mainz 05 um die Europacupplätze mitspiele, denn: „Mainz ist in punkto Aggressivität, Zweikampfverhalten und Pressing eine der besten Mannschaften der Bundesliga.“ Und weiter: „Seit Bo Svensson da ist, agieren sie herausragend aggressiv, sind gewillt, sich in jedem Spiel zu quälen und setzen damit den Gegner extrem unter Druck. Und Fußball spielen können sie auch. Da ist richtig Theater auf dem Platz.“
Lob hin, Lob her
Svensson entgegnet weniger wortreich, aber ebenso hochachtungsvoll: „Es ist schwierig, gegen die zu gewinnen.“ Er habe „großen Respekt für die Arbeit, die in Freiburg geleistet wird. Unsere Rollen im deutschen Fußball ähneln sich.“ Beide eingetragene Vereine (neben Union Berlin die letzten ihrer Art in der Ersten Bundesliga) hätten ihre „Nische gefunden“.
Diese Nische steckt gerade auf den Rängen vier (Mainz) und fünf (Freiburg) der Bundesligatabelle und somit in der Aufwands- und Ertragsrechnung auf weit überdurchschnittlichem Niveau. Die Nische labt sich aus medial weniger krass ausgeleuchteten Standorten, jahrzehntelanger hervorragender Nachwuchsarbeit und besonderem gegenseitigen Vertrauen in den Führungsetagen.
In Freiburg kennen sich Trainer Streich, und die Manager Jochen Saier und Klemens Hartenbach seit 20 Jahren, als sie schon in der Fußballschule zusammenarbeiteten. In Mainz sind die Bosse Stefan Hofmann und Christian Heidel, Sportdirektor und Ex-U23-Coach Martin Schmidt sowie Chefcoach und Ex-Juniorentrainer Svensson jeweils mit Unterbrechungen seit 2010 alle miteinander unterwegs.
Zehn Jahre Vorsprung haben die Mainzer mit dem Bau ihres Stadions, Freiburg eröffnet seine ebenfalls rund 34 000 Fans fassende, im Gegensatz zum an den Ecken offenen Mainzer Bau rundum geschlossene Arena Mitte Oktober. Die Breisgauer holten sich in der Vorbereitung der Bauphase manchen Rat aus Mainz.
Dort erwies sich die um 14 000 gegenüber dem alten Bruchwegstadion erweiterte Kapazität bislang als zu groß. Ausverkauft war die 2011 eröffnete Arena am Europakreisel nur selten, gegen Freiburg soll zumindest die wegen Corona auf 13 500 gekappte Obergrenze erreicht werden. Fast alle Tickets sind vergriffen. Sportvorstand Heidel sagt: „Wir wollen die Leute zurückgewinnen. Das schaffst du nur, wenn es Spaß macht. Es muss wieder mehr Spektakel rein.“
Diese Überzeugungsarbeit haben die Freiburger in den vergangenen fünf Jahren seit dem Wiederaufstieg 2016 erbracht. Das Schwarzwaldstadion ist fast immer ausverkauft. Es wird am Sonntag in einer Woche gegen den FC Augsburg letztmalig Bundesligafußball erleben. Es dürfte ein Abschied mit Tränen werden.
Die Mainzer verabschiedeten sich im Mai 2011 mit einem 2:1 gegen den FC St. Pauli und einem gewaltigen Fanmarsch aus der Innenstadt nach fast 75 Jahren vom Bruchwegstadion als Bundesligaspielstätte. Seit dem direkten Wiederaufstieg 2009 haben sie stets den Klassenerhalt geschafft und seitdem dreimal die Europa League erreicht, wobei sie sich zweimal schon auf dem Weg dahin in der Qualifikation blamierten Freiburg holte das Ticket nach Europa zuletzt 2013 (ohne Spuren zu hinterlassen) und 2017 (peinliches Aus in der Quali). Als deutsche Aushängeschilder auf internationalem Terrain taugten beide Klubs bisher nicht.
Samstag lohnt es sich dennoch, einen Blick in die Mainzer Arena zu werfen. Streich hat seine Maxime bereits an seiner Spieler vorgegeben: „Gegen den Ball anlaufen, bis die Lunge brennt.“ Ansonsten, fürchtet der Fußballlehrer, „werden sie uns erdrücken“.
