Mit Vollspann ins linke obere Eck

Der Schlappekicker unterstützt „Fußball trifft Kultur“ – Weltmeisterin Nia Künzer überreicht 2000-Euro-Scheck.
Erjon haut das Ding unter die Latte, dass es eine Freude ist. Wenn der Ball erst rollt, zählt nur noch der Drang zum Tor. Auf Socken in der alten Halle mit Holzboden ist auf engem Raum filigranes Kicken gefragt. Erjon, Karl, Jonathan und all die anderen aus vielen Ländern stammenden Talente haben mit ihren knapp zehn Jahren schon einiges zu bieten. Gekämpft wird mit vollem Einsatz, aber Fairplay ist oberstes Gebot. Das kriegen die Jungs gut hin, mit Trainer Kai Klingelhöfer kommen sie bestens aus. Der trägt den Adler auf der Brust und die Eintracht auf dem Rücken, das ist immer wieder positiver Ansporn.
Zweimal die Woche steht Fußball auf dem Programm. Nicht im Verein, in der Schule. „Die Kinder profitieren ungemein davon“, sagt Boris Schwuchow, Sportlehrer an der Albert-Schweitzer-Schule. Wie überall hat ein Fußballspiel zwei Halbzeiten, auch in der Grundschule am Frankfurter Berg. Der Unterschied ist Methode. In der ersten Halbzeit wird gekickt, in der zweiten gelernt. Oder eben umgekehrt, Coach Kai und die Deutschlehrerin Hannah Hecker entscheiden das spontan.
Eine Halbzeit Fußball, eine Halbzeit Lernen, das ist die Idee des Bildungsprogramms „Fußball trifft Kultur“ (FtK), ein Projekt der LITCAM Gesellschaft, die sich für Integration einsetzt. Wichtiger Kooperationspartner seit 2012 ist die DFL-Stiftung, Partner sind 23 Bundesligavereine in fast zwei Dutzend Städten mit ins Projekt eingebundenen Jugendtrainern.

Fußballtraining und Förderung von Sprache und sozialer Interaktion sind wichtigste FtK-Ingredienzen. „Die Kombination mit kulturellen Aktivitäten verbessert das soziale und kommunikative Verhalten der Kinder, stärkt die Motivation zum Lernen, weckt neue Interessen. Der Fußball als Ankerpunkt dient den Kindern dabei als Antrieb“, fasst Cheforganisatorin Karin Plötz Idee, Methode und Wirkung zusammen. Aber auch mal ein Rap-Workshop gehört dazu, eine Stadionführung oder Lesung. Kinder mit Migrationshintergrund, aus sozial schwächeren Familien und Flüchtlingskinder profitieren.
In der Albert-Schweitzer-Schule ist die Gruppe mit 16 Kindern extra klein, alle aus Flüchtlingsfamilien. In den meisten Programmgruppen, bundesweit sind es 35, davon fünf in Frankfurt, sind die Gruppen mit 24 Kindern besetzt. Aktuell über 700 Kinder, zu 90 Prozent mit Migrationshintergrund aus über 50 Ländern kommend, treffen sich zum Fußball mit Bildungscharakter. Sportliches Highlight ist jedes Jahr das große Abschlussturnier, dieses Jahr auf den Trainingsplätzen des MSV Duisburg im Juni.
Erstes Mädchenteam 2011
Da kommt die Trainingseinheit mit Fußball-Weltmeisterin Nia Künzer gerade recht. Sie war Gast an alter Wirkungsstätte. Ihrer Initiative war das erste reine Mädchen-Team zu verdanken, 2011 passend zur Heim-WM an der Albert-Schweitzer-Schule installiert. Als Nia Künzer ihr entscheidendes „Weltmeister-Tor“ 2003 machte, waren die Jungs, die jetzt mit ihr spielen, alle noch nicht geboren. Die mitgebrachte Goldmedaille ist ihr Ausweis in deren Fußballwelt, vor allem aber ihre Leidenschaft für den Fußball und ihren Spaß am Kicken auf Augenhöhe in der alten kleinen Halle, die noch den Charme der 60er Jahre atmet.
Auf dem Platz zählt nur Fußballkunst. Der letzte Pass, hoch reingegeben von rechts, lässige Annahme mit der Brust und dann direkt Vollspann oben links in die Ecke geknallt. Die Weltmeisterin kann’s immer noch, von solchen Botschaften und Vorbildern lebt das Ftk-Programm. Im Namen der „Schlappekicker-Aktion“ der Frankfurter Rundschau hat Nia Künzer, die dem Vorstand angehört, einen Scheck zur Förderung des Projekts über 2000 Euro mitgebracht. Damit soll die Busreise zum Abschlussturnier in Duisburg, Trainerhonorare, Bälle und Trikots finanziert werden.