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Malaika Mihambo: „Jeder Schritt hat viel Kraft gekostet“

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Von: Nico-Marius Schmitz

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Die beste im Sand von Tokio: Malaika Mihambo, Deutschlands „Sportlerin des Jahres“, gewinnt Gold bei den Olympischen Spielen. dpa
Die beste im Sand von Tokio: Malaika Mihambo, Deutschlands „Sportlerin des Jahres“, gewinnt Gold bei den Olympischen Spielen. dpa © AFP

Weitspringerin Malaika Mihambo über einen müden Geist nach ihrem Olympiasieg, die Ziele für 2022, Rassismus und Legende Carl Lewis.

Frau Mihambo, im Oktober haben Sie in Österreich eine Kur gemacht. War das schon länger geplant?

Ich hatte schon länger die Absicht, die Mayr-Diät zu machen. Da ich mich sehr mit verschiedenen Esskulturen und gesunder Ernährung beschäftige. Nach Tokio war es dann aber völlig klar: Ich habe gemerkt, dass plötzlich alles sehr anstrengend war. Jeder Schritt hat viel Kraft gebraucht. Ich war einfach fertig, geistig total müde. Es tat unheimlich gut, den Körper zu entlasten und mal wieder die Seele baumeln zu lassen. Ich bin noch nie so fit in eine Saison gestartet.

Was waren Ihre Lehren?

Bei so einer Kur lernt man unheimlich viel. Meistens isst man zu viel und kaut zu schlecht, sodass sich auch die gesündeste Ernährung nicht verdauen lässt. Die hat so viel mit dem ganzen Wohlbefinden zu tun. Beim Basenfasten entlastet man den Magen, es geht keine Energie für langwierige Verdauungsprozesse verloren, sodass sich der Körper wieder selbst heilen und regenerieren kann.

Nach Olympia waren Sie nach eigenen Angaben ausgelaugt, haben die Saison aber trotzdem noch durchgezogen. Die falsche Entscheidung?

Wenn ich nächstes Jahr noch mal in so einer Situation wäre, würde ich das Ganze vermutlich früher abbrechen. Bei Wettkämpfen in Deutschland sagt man natürlich ungern ab. Weil man auch weiß, dass sich die Fans auf einen freuen. Es ist aber auch vollkommen in Ordnung etwas zu stoppen, wenn man merkt, dass man nicht mehr kann.

W ie haben Sie sich nach Tokio gefühlt?

Ich war körperlich erschöpft, nicht mehr so belastbar, schnell müde. Zudem war ich komplett alleine, weil mein Trainer schon im Urlaub war. Wir haben uns telefonisch ausgetauscht, trotzdem war es besonders hart, wenn man sich jeden Tag durchschlagen muss. Noch dazu kam meine Verletzung an der Ferse, mit der ich schon in Tokio springen musste. Ich musste mich durchbeißen und habe gemerkt, dass ich viele Ressourcen verbraucht habe.

Wie sehr hat Sie die Verletzung gehemmt?

Um die Probleme an der Ferse auszuheilen, konnte ich vier Wochen lang keinen Sprung trainieren. Nach dieser Zeit musste ich wieder lernen, meine Muskeln im perfekten Zusammenspiel einzusetzen. Wenn die körperlichen Voraussetzungen schon nicht stimmen und dann noch ein müder Geist dazukommt, wird es mit Höchstleistungen schwierig.

Ihre Beziehung zu Bundestrainer Ulli Knapp beschreiben Sie als sehr positiv. War das der Hauptgrund, warum Sie vorerst nicht in die USA zu Carl Lewis gehen?

Mein Verhältnis zu Ulli Knapp ist natürlich besonders, seit er auch mein Heimtrainer ist. Ich lerne auch den Menschen hinter der Bundestrainerrolle kennen. Unser Kontakt hat sich intensiviert. Ulli kommt mir sehr entgegen, wir trainieren viel in Mannheim. Es harmoniert menschlich sehr gut, das weiß ich zu schätzen. Zu dem Thema würde ich aber gerne noch etwas sagen.

Zur Person

Malaika Mihambo glänzte in Tokio mal wieder. Bei den Olympischen Sommerspielen in diesem Jahr lag die 27-Jährige bis zum letzten Versuch auf dem Bronzerang. Es folgte der Sprung auf sieben Meter – Gold! Erst vor wenigen Tagen wurde die Heidelbergerin zu Deutschlands „Sportlerin des Jahres“ gekürt, zum dritten Mal in Folge. Dabei verlief das Jahr 2021 für die beste Weitspringerin der Welt nicht immer einfach. Eine Verletzung an der Ferse hemmte ihren Sprung, hinzu kamen mentale Probleme der Sportlerin von der LG Kurpfalz. 2019 wurde Mihambo bereits Weltmeisterin. (FR)

Nur zu, gerne.

Es ging mir nie darum wegzugehen, weil ich in Deutschland nicht gut genug betreut werden kann. Der ganze Prozess, zu reisen und die Welt zu sehen, stand im Vordergrund. Sich mit einem Carl Lewis auszutauschen, der denselben Weg gegangen ist und erfolgreicher war als man selbst. Das alles würde ich auch gerne noch nachholen. Aber die Pandemie haben wir nun mal aktuell noch nicht im Griff. Daher verzichte ich erst mal auf längere Reisen. Es war ein anstrengender Weg nach Tokio. Ich bin froh, die Zeit nun in der Nähe meiner Freunde und Familie zu verbringen.

Sie sind seit einigen Jahren auf der Suche nach Ihren Wurzeln. Was haben Sie schon herausgefunden?

Es war mir wichtig, mehr über meine afrikanischen Wurzeln und meine Identität zu erfahren. Das ist aber ein Prozess, der noch läuft und bei dem ich noch viel lernen kann. Es fühlt sich immer schön an, mit seiner Familie in Kontakt zu sein. Mit meinem Vater habe ich wieder eine Verbindung, man lernt neue Weltansichten kennen. Ich möchte ein Vorbild für meine jüngeren Geschwister sein, ihnen positive Werte vermitteln. Ich merke, dass sie zu mir aufschauen.

Ist das auch die Idee hinter ihrem Verein „Malaikas Herzsprung“?

Die jungen Jahre sind für uns alle prägend. Kindern sollte man schon früh den Umgang mit Emotionen und wichtige Tools wie Selbstreflexion vermitteln. Es freut mich unheimlich, dass ich mit meiner Stiftung die Entwicklung junger Menschen fördern kann. Kinder werden vorurteilsfrei geboren. Erst durch die Sozialisation entsteht Rassismus, Diskriminierung oder auch Mobbing. Wir müssen wieder mehr auf den anderen zugehen, mehr zuhören. Menschen nicht sofort in eine Schublade stecken. Einfach wieder mehr Besonnenheit im Umgang mit anderen Menschen zeigen.

Die Corona-Pandemie sorgt auch für große Einschnitte in der Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen. Wie sehen Sie das?

Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um diese Folgen abzumildern. Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, alle Mitglieder mit in ein Boot zu holen. Die Pandemie legt offen, dass uns das nicht gelingt. In einer Krise darf keiner vergessen werden, man durchsteht solche Zeiten nur gemeinsam. Für die Kinder ist es noch mal schwieriger, auf den Sport und soziale Kontakte zu verzichten. Diesen Verlust müssen wir auffangen, um bleibende Schäden zu vermeiden.

Was sind Ihre Ziele für das kommende Jahr?

Natürlich will ich mit einer stabilen Anlauftechnik zurückkommen. Darauf liegt auch der Fokus im Training. Mein grundsätzliches Ziel ist es aber immer, glücklich zu sein. Das ist das Wichtigste. Wenn ich Ende 2022 zurückschaue, viel gelernt habe und die meiste Zeit glücklich war, dann war es für mich ein erfolgreiches Jahr.

Interview: Nico-Marius Schmitz

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