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Lindsey Vonn im Interview: „Körperlich total zerstört“

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Von: Patrick Reichelt

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Stammgast bei Weltcup-Rennen: Lindsey Vonn in Kitzbühel - und Arnold Schwarzenegger (links).
Stammgast bei Weltcup-Rennen: Lindsey Vonn in Kitzbühel - und Arnold Schwarzenegger (links). © Wolfgang Grebien/Imago

Lindsey Vonn, ehemaliger Superstar im Skisport, über die Strapazen ihrer Karriere, den Druck, das Geld und wahre Freundschaften.

Frau Vonn, Sie waren zu Ihrer aktiven Zeit dafür bekannt, sich mit Slogans auf den Skiern („Be aggressive“) selbst anzufeuern. Was würde dort heute stehen?

Oh, das ist schwer zu sagen, mein Fokus ist jetzt natürlich ein anderer. Hmm, aber ich denke, es wäre trotzdem nichts anderes als damals. Weil ich mich nicht verändert habe. Ich denke, diese Worte stehen einfach für mich und meinen Weg.

Stichwort Karriere – Biografien beginnen meist mit dem größten Moment einer Laufbahn. Ihre, „Hoch hinaus“, beginnt mit deren Ende. Was sagt uns das?

Das ist eine sehr gute Frage. Ich wollte ja eigentlich weitermachen. Wollte weiter Skifahren, weil ich es geliebt habe. Für mich war das ein unheimlich einschneidender Moment, dass es einfach nicht mehr ging. Es ging etwas zu Ende, für das meine Familie viel investiert hat, für das ich viel investiert habe. Ich habe für meine Karriere viel überwunden. Aber ich war körperlich total zerstört.

Nicht nur körperlich wie es scheint, Sie litten auch viele Jahre unter Depressionen. Viele andere Sportler:innen erleben das, wenn sie sich aus dem Rampenlicht verabschieden. Bei Ihnen scheint es gekommen zu sein, als Sie ins Rampenlicht traten.

Der drastische Wechsel war bei mir sicher das Problem. Ich war schon eine erfolgreiche Sportlerin, aber gerade nach meinem Olympiasieg hat sich alles verändert. Mein Leben wurde plötzlich total ausgeleuchtet. Ich war immer irgendwie im Mittelpunkt. Aber ich war trotzdem alleine. Du bist fast immer umgeben von Leuten und doch einsam. Damit hatte ich sehr zu kämpfen. Es gab viele Momente, in denen ich irgendwo in den Bergen alleine in einer Kabine saß und mir dachte: warum?

Also eher der gesellschaftliche als der sportliche Druck?

Das kann man sicherlich so sagen, ja. Den sportlichen Druck hast du natürlich. Wenn du eine erfolgreiche Sportlerin bist, dann erwartet man bei Großereignissen auch Erfolge von dir. Aber die erwartest du auch selbst. Diesen Druck machst du dir auch.

Zur Person

Lindsey Vonn , 38 Jahre alt, war einer der Superstars der alpinen Skiszene - spätestens seit ihrem Olympiasieg 2010 in Vancouver auch in ihrer US-amerikanischen Heimat. Doch das Bild des schillernden Glamour-Girls täuscht, wie sie auch in ihrer Biographie „Hoch hinaus“ schreibt. (FR)

Sie sprechen von der Einsamkeit in Ihrem Leben. Man weiß, dass Sie sich zum Beispiel mit Maria Höfl-Riesch sehr nahe standen. Gibt es denn echte Freundschaften im Spitzensport?

Schon, wenn auch vielleicht nicht oft. Aber wenn man es genau betrachtet: Natürlich ist man Konkurrentin in den Rennen. Jeder will am Ende nach Möglichkeit gewinnen. Aber eigentlich kämpfst du weniger gegen die anderen Fahrerinnen als gegen den Berg und die Piste.

Würden Sie das Gold von Vancouver 2010 gegen ein wieder normaleres Leben eintauschen?

Nein, das würde ich nicht. Die Goldmedaille ist etwas, wofür ich viele Jahre gearbeitet habe. Das war wie ein Projekt meines Lebens. Für mich ist das etwas wie der Lohn für vieles, was du über die Jahre gemacht hast. Aber die andere Seite, ein Star in der Szene zu sein, das ist etwas, auf das ich gut verzichten kann. Das vermisse ich nicht. Was ich vermisse, ist das Adrenalin, wenn du mit 130 Stundenkilometern den Berg hinunter fährst. Der Druck und die Kräfte, die auf dich wirken. Das Skifahren generell, weil es einfach mein Leben war.

Also kommt keine Sehnsucht auf, wenn Sie jetzt die Weltmeisterschaft in Frankreich schauen?

Nein, ich bin schon vier Jahre draußen und ich stehe im Leben. Ich hatte auch einen Plan für das Danach – ich war also nicht gelangweilt. Aber ich schaue mir das sehr gerne an. Ich freue mich sehr für meine ehemaligen Teamkollegen, die sehr gut gefahren sind.

Interview: Patrick Reichelt

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