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Keine Angst vor Namen

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Von: Harald Joisten

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Schneller Mann aus Eritrea: Biniam Girmay. Foto: AFP
Schneller Mann aus Eritrea: Biniam Girmay. © AFP

Shootingstar Biniam Girmay aus Eritrea geht am 1. Mai bei Eschborn - Frankfurt an den Start. Insider prophezeien ihm eine große Karriere.

Man könnte denken, er schnürt gleich die Laufschuhe und flitzt los. Wie all seine afrikanischen Landsleute, die der internationalen Konkurrenz seit Jahrzehnten auf der Mittel- und Langstrecke enteilen. Doch Biniam Girmay geht einen anderen Weg. Er hat sich zum Ziel gesetzt, dem Radsport auf seinem Kontinent zum Durchbruch zu verhelfen. „Es wird sich eine Menge ändern. Wir werden eine rosige Zukunft haben“, meinte der Eritreer, als er Ende März als erster farbiger Afrikaner ein World-Tour-Rennen gewonnen hatte. Bei seinem Sensationssieg bei Gent-Wevelgem ließ er am Ende mit einer mutigen Attacke unter anderen Alleskönner Wout van Aert (Belgien) stehen.

„Das ist unglaublich. Auf den letzten 250 Metern hatte ich einfach ein sehr großes Selbstvertrauen“, sagte der junge Mann, der erst vor wenigen Wochen 22 Jahre alt wurde. „Es ist super, wie unbekümmert Biniam fährt, ohne Angst vor großen Namen. Das zeichnet ihn aus“, lobte Ex-Profi Jens Voigt. Der 17-malige Tour-de-France-Teilnehmer glaubt: „Er ist auf dem Weg, der nächste Superstar zu werden.“

Nach dem Rennen reiste Girmay zurück in seine Heimat, zu seiner Frau und der einjährigen Tochter. Am 1. Mai wird er auf der World-Tour zurückerwartet. Sein belgisches Team Intermarché-Wanty-Gobert Matériaux hat ihn für den Klassiker Eschborn-Frankfurt angekündigt. Girmay dürfte erstmals schon vor dem Start im Fokus stehen. Denn auch Radsport-Legende Bernard Hinault ist sich sicher, von Girmay „noch viel zu hören“.

Schließlich hatte der Shooting-Star bereits im vergangenen Jahr bei der WM Geschichte geschrieben, als er bei seinem zweiten Platz im Rennen der Altersklasse U 23 als erster Schwarzafrikaner aufs Podium gefahren war. Zum zweiten Mal in Folge wurde er daraufhin zu Afrikas Radsportler des Jahres gewählt.

Schon lange wird erwartet, dass ein Radprofi aus Afrika in der Weltspitze durchstartet. „Da leben weit mehr als eine Milliarde Menschen. Es ist nur eine Frage der Zeit und der Suche, bis von dort ein Tour-de-France-Sieger kommt“, glaubt Voigt. Der Pool an Talenten sei „gigantisch“. Probleme mit der Infrastruktur, geeigneten Straßen und den hohen Kosten für ein Rennrad sorgen dafür, dass sich nicht mehr Afrikaner für den Sport entscheiden. Die wenigen historischen Erfolge bei der Tour de France waren bislang Fahrern aus Südafrika vorbehalten: Robert Hunter gewann 2007 als erster Profi des Kontinents eine Etappe, Daryl Impey eroberte 2013 das Gelbe Trikot. Beim in Nairobi geborenen Chris Froome sind zwar die Wurzeln afrikanisch, doch der „weiße Kenianer“ errang seine Triumphe als Brite.

In Eritrea fahren 16 Profis

In der ehemaligen italienischen Kolonie Eritrea, einem der ärmsten Länder der Welt, gibt es indes durchaus eine große Leidenschaft für den Radsport. Daniel Teklehaimanot trug vor sieben Jahren für einige Tage das Bergtrikot bei der Tour de France. Die Übertragungen der Etappen fanden in voll besetzten Kinosälen statt. „Jedes Wochenende gibt es bei uns ein Rennen, auch in den Jugendkategorien, alle zwei Monate eines rings um Asmara“, erzählte Girmay in einem Interview seines Rennstalls. In Eritreas Hauptstadt Asmara ist er geboren worden. 16 Profis stellt das Land mittlerweile im Straßenradsport, drei in der World Tour.

Bisher fehlten die großen Siege. Vermutlich auch, weil viele Talente bisher unentdeckt blieben. Das könnte sich nun ändern. „Es gibt so viele gute Radsportler in Eritrea, so viel Leidenschaft. Aber du musst auch Glück haben. Du musst im richtigen Moment gesehen werden“, meinte Girmay auf sportschau.de.

Er selbst hatte Glück, wurde entdeckt und gehörte als 18-Jähriger dem World Cycling Center des Radsport-Weltverbandes UCI in Aigle an. Dort werden Talente aus zahlreichen Nationen gefördert. „Ich habe dort viel gelernt. Die Umstellung von afrikanischen Rennen nach Europa ist doch sehr groß“, erzählt Girmay.

Inzwischen findet er sich bestens zurecht. Schon vor seinem Coup bei Gent-Wevelgem zeigte er sein großes Potenzial. Er gewann die Trofeo Alcudia, ein Rennen der Mallorca-Challenge-Serie, und ließ dabei Top-Sprinter Pascal Ackermann und Michael Matthews, 2017 Gewinner des Grünen Trikots bei der Tour de France, hinter sich. Bei der Fernfahrt Paris-Nizza kam er drei Mal unter die Top 10, beim Klassiker Mailand-San Remo wurde er Zwölfter.

Auch am 1. Mai bei Eschborn-Frankfurt ist ihm viel zuzutrauen. Nicht nur, weil er mutig fährt. Er gilt als Allrounder, kann sowohl klettern als auch sprinten. Danach will er im Mai beim Giro d’Italia erstmals bei einer Grand Tour antreten. Dafür trainierte er zuletzt wieder in seiner Heimat in Eritrea auf 2000 Metern Höhe. Dort, wo ihn sein älterer Bruder einst mit 13 Jahren vom Fußball zum Radsport brachte.

Und irgendwann will Biniam Girmay auch der erste farbige Weltmeister im Radsport sein. Vielleicht schon 2025, wenn die WM in Ruanda stattfindet. Es dürfte eine große Woche für den Radsport in Afrika werden.

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