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Jan-Lennard Struff, die deutsche Tennishoffnung

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Von: Jakob Böllhoff

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Jan-Lennard Struff in Madrid.
Jan-Lennard Struff in Madrid. © dpa

Es ist eine schöne Erkenntnis fürs deutsche Männertennis, dass es zwei Profis gibt, die bei den French Open gute Chancen haben. Es ist auch eine ernüchternde Erkenntnis. Ein Kommentar.

Caja Magica, Zauberkiste, wird das Tennisstadion in Madrid genannt, in dem Jan-Lennard Struff in der vergangenen Woche als faszinierender Entfesselungskünstler auftrat. Gescheitert in der Qualifikation fürs Masters-Turnier, zurück ins Spiel gebracht durch die Lucky-Loser-Regelung, dann zombiemäßig durchs Hauptfeld gepflügt mit einer Mischung aus Wucht und Wille und ersten Aufschlägen. Struffi wird der Mann nur genannt, von allen, sogar von den deutschen TV-Kommentatoren, in schwer erträglicher Kumpeligkeit. Wie gefährlich kann schon einer sein, der Struffi heißt und ein bisschen aussieht wie ein zwei Meter großer Teddybär am Schießstand auf der Frühjahrsmesse?

Unterschätzt zu werden, mitunter sogar belächelt, ist nicht das Schlechteste im Sport, sofern man damit umgehen kann. Niemand hat Struff, 33, in Madrid etwas zugetraut, schon gar nicht im Endspiel gegen den 20-jährigen Wunderknaben mit dem Supernamen Carlos Alcaraz, bei dem „Tim und Struppi“-Aficionados automatisch an General Alcazar denken, Diktator in der fiktiven südamerikanischen Bananenrepublik San Theodoros. Ein Meister des Putschens und des Geputschtwerdens.

Chancen in Paris

Struff, der, wenn man so drüber nachdenkt, optisch locker das Zeug hätte, Tims großen Bruder zu spielen („Tim und Struffi“ - wie wär’s, lieber Hergé? Hallo, Hergé? Ach, leider schon tot), hätte sich in Madrid beinahe auf den Thron geputscht. Ein großes Finale hat er da gezeigt, nur knapp verloren in drei Sätzen. Dabei schien der alte Struffi mit seinen ganzen Verletzungen mitnichten noch ein Fall für die Zauberkiste zu sein, sondern einer für die Mottenkiste.

Es ist eine schöne Erkenntnis für das deutsche Männertennis, dass es gerade zwei Profis gibt, die bei den Ende Mai beginnenden French Open in Paris ordentliche Chancen haben, weit zu kommen. Struff und Alexander „Sascha“ Zverev. Es ist auch eine ernüchternde Erkenntnis. Sieht so etwa die Tennishoffnung Deutschlands aus? Ein 33-jähriges Aufschlagmonster und ein 26-jähriger, der sich in seinem komplexen Talent verheddert hat?

Spielt Nicolas Kiefer eigentlich noch, und wann schafft Tommy Haas endlich den Durchbruch?

Deutschland ist ein Tennisland. Dafür sieht es in der Weltspitze nicht gut aus (weniger noch bei den Frauen). Wo sind die Toptalente? Es gibt sie, aber sie verirren sich oft auf dem beschwerlichen Weg zu den Profis.

Struffi und Sascha also. Müssen es richten, auf dem Sand von Paris, unter dem schon so manche Hoffnung begraben wurde. An Schlagkraft mangelt es beiden nicht, und der Auftrag ist klar: Aus der Stadt der Liebe eine Stadt der Hiebe machen. General Alcazar würde das begrüßen.

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