Ironman Frankfurt-Gründer im Interview: „Profitgier ist zu groß geworden“

Der Begründer des Ironman Frankfurt, Kurt Denk, zu den abenteuerlichen Anfängen vor 20 Jahren, den fehlenden Topstars heute und der Gefahr durch die amerikanischen Besitzer.
Der Iroman Frankfurt feiert am kommenden Wochenende sein 20-jähriges Jubiläum. Wer hat Sie damals auf die Idee gebracht, diese Veranstaltung aus dem Triathlon-Mekka Roth in die Großstadt zu holen?
Der erste Impuls kam von Lew Friedland, dem damaligen Präsidenten des Ironman. Er hat mich am Straßenrand des Rennens auf Hawaii angesprochen, wo ich früher Gels und Riegel an die Triathleten beim Radtraining ausgegeben habe: Er hätte mit dem Roth-Organisator Detlef Kühnel Probleme – und deswegen sollte die deutsche Lizenz neu vergeben werden. Ich sollte ihm binnen 24 Stunden einen Namen nennen, der das übernehmen könnte. Ich bin dann nach einer schlaflosen Nacht zum Frühstück ins King Kamehameha’s Hotel in Kona zu ihm hin – und ich hatte bis zu diesem Moment keine Idee. Aus dem Bauch heraus habe ich gesagt: ‚I think, I should do this!‘ Das wollte er hören. Von dem Zeitpunkt an wusste ich, dass sich mein ganzes Leben ändern würde. Das klingt filmreif, aber so war es.
Sie haben dann nicht überall offene Türen eingerannt, oder?
Für die WTC (World Triathlon Corporation, der kommerzielle Ironman-Weltverband, Anm. d. Red.) war das auch ein Risiko, denn ich hatte ja null Ahnung und so etwas noch nie gemacht. Bei unserem ersten Meeting in San Diego waren auch Dave Scott und Mark Allen, die beiden Ironman-Legenden, anwesend, die meine Referenzen hören wollten. Ich habe gesagt, ich habe bisher Zeitungen gedruckt und Reisen nach Hawaii verkauft. Alle haben den Kopf geschüttelt. Als ich dann nach dem ersten Rennen in Frankfurt wieder in Kona war, hat mir Mark Allen gedankt und mich umarmt.
Die Stadt Frankfurt war anfangs gar nicht dafür, den Ironman auf dem Römer enden zu lassen.
Es war eine innere Vision von mir, mit der Lizenz aus Roth in die Innenstadt nach Frankfurt zu gehen. Ich wohne zwar in Maintal, aber ich habe meine Lehre in Frankfurt als Drucker gemacht, ich habe dort gearbeitet – ich liebe diese Stadt durch und durch. Die Behörden wollten zunächst, dass wir entweder auf dem Rebstockgelände oder im Ostpark das Ziel setzen, weil das in der Umsetzung natürlich viel einfacher gewesen wäre. Für mich war aber klar, dass wir den Königen der Athleten – und das sind für mich neben den Zehnkämpfern die Triathleten – einen Zieleinlauf im Herzen einer City bieten müssen, wo früher Könige und Kaiser geehrt wurden. Mit der Idee vom Römerberg konnte ich glücklicherweise die damalige Oberbürgermeisterin Petra Roth überzeugen. Wir haben das gegen viele Bedenkenträger durchsetzen können. Darauf bin ich heute noch stolz. Ohne das wäre das ganze Event nur halb so viel wert.
Was kommt ihnen als Erstes in den Kopf, wenn Sie an die Premiere am 18. August 2002 denken?
Die Szene mit unserem damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch, der als Ehrengast am Langener Waldsee den Startschuss abgeben sollte. Die dafür benötigte Pistole hatte ich in meiner Jackentasche, und als ich diese herauszog, wurden plötzlich seine drei Bodyguards hektisch. Plötzlich waren sechs Hände auf meinen Schultern, weil sie dachten, ich wäre vielleicht ein verdeckter Attentäter (lacht).
Wie groß war das Risiko ansonsten für Sie?
Ich habe dem Teufel tief ins Maul geschaut – und zwar monetär. Weil es 2002 auch noch um die Olympiabewerbung der Stadt Frankfurt ging, habe ich viele Dinge bekommen, von denen die Veranstaltung heute immer noch profitiert: gesperrte Straßen, volle Polizeiunterstützung. Im Gegenzug hat mir Petra Roth gesagt: ‚Herr Denk, wenn das nichts wird, stecke ich Sie ungespitzt kopfüber in den Römerberg!‘ Deswegen habe ich die größte Tribüne, die teuerste Beschallung, die beste Verpflegung bestellt. Hinterher lag auf meinem Schreibtisch links ein Stapel mit Danksagungen, rechts die ganzen Rechnungen. Ich war mit einer Million Euro im Minus und musste daraufhin mein Haus verpfänden. Danach habe ich glücklicherweise zwei große Sponsoren gefunden: Ohne die 750 000 Euro von Opel und die 450 000 Euro von Duracell wäre es früh zu Ende gewesen.
Das sind stattliche Summen.
Zur Person
Kurt Denk , 73, ist Begründer des Ironman Frankfurt. Der ehemalige Maschinenführer bei der Frankfurter Rundschau schaffte es vor 20 Jahren, die Ironman-Lizenz der Traditionsveranstaltung in Roh abzuluchsen und erstmals in Frankfurt zu veranstalten. Nach dem Verkauf seiner Anteile 2009 zog sich Denk aus dem Sportbusiness zurück und hält sich als Privatier vor allem noch beim Windsurfen und Skifahren fit. hel
Ich hatte am Ende jedes Jahr mehr als zwei Millionen Euro an Sponsoringeinnahmen generiert. Heute sind es maximal 800 000 Euro, denn ich beobachte ein mangelndes Interesse von Sponsoren, abgesehen von der Mainova. Ohne Geld gibt es aber keine Innovationen, und damit meine ich nicht nur gute Rucksäcke für die Athleten. Ich habe den amerikanischen Besitzern oft erklärt, dass sie immer erst säen müssen, und dann ernten können. Sie wollen aber immer nur noch das ernten, was vor über zehn Jahren gesät worden ist.
Das klingt nicht gut.
Wir sehen beim Ironman Frankfurt das Problem der Buddenbrooks: Die erste Generation baut etwas auf, die zweite verwaltet es – in dieser Phase sind wir jetzt – und die dritte fährt es an die Wand. Ich hoffe und wünsche dies nicht, aber wenn es sich nicht entsprechend ändert, ist diese Veranstaltung trotz dem Interesse der Athleten irgendwann zu Ende.
Die Topstars wie Jan Frodeno, Patrick Lange, Sebastian Kienle oder Anne Haug starten allesamt eine Woche später in Roth statt in Frankfurt. Was läuft da schief?
Erstmal habe ich Felix Walchshöfer als Organisator in Roth kontaktiert und ihm gratuliert. Dort macht man es gut. In Frankfurt scheinen die Organisatoren diesbezüglich unfähig – ich muss das so deutlich sagen. Ironman überlebt nur noch, weil sie die Startgebühren erhöhen und immer neue Rennen erfinden. Auf Dauer ergibt das aber keine gesunde Basis. Ich hatte das Geld von der Stadt – 150 000 Euro in den ersten fünf Jahren, 200 000 Euro danach, ehe es einer meiner Nachfolger (Thomas Dieckhoff, Anm. der Red.) auf 250 000 Euro hochgezogen hat – immer dazu genutzt, um Topathleten zu verpflichten. Mindestens zwei von den Top Drei auf Hawaii bei Männern und Frauen sollten bei mir in Frankfurt starten. Ich habe Leuten wie Normann Stadler (Hawaii-Sieger 2004 und 2006, Anm. d. Red.) zwischen 50 000 und 70 000 Antrittsgeld gezahlt. Das wird heute nicht mehr gemacht. Ich habe auch den Neuseeländer Cameron Brown, den Kanadier Peter Reid oder den Australier Chris McCormack hierher geholt, weil ich gutes Geld gezahlt habe.
Was kostet es, die besten Triathleten zu verpflichten?
Mit rund einer Viertelmillion hätte man dieses Jahr locker Frodeno, Lange, Kienle, Haug und den aktuellen Weltmeister Kristian Blummenfelt holen können. Natürlich wollen die Topathleten Geld bekommen, sie haben nicht annähernd die Verdienstmöglichkeiten wie die Fußballer. Ich werfe den Verantwortlichen vor, dass sie das Prinzip von Geben und Nehmen nicht mehr beherzigen. Die Stadt und die Kommunen sorgen für das Drumherum mit den gesperrten Strecken und Plätzen – und Frankfurt gibt dem Veranstalter noch 300 000 Euro Zuschuss – aber was gibt es zurück? Die Bezeichnung Europameisterschaft ist so doch eine Farce, wenn die besten Triathleten hier nicht starten.
Die Stadt Frankfurt hat trotzdem den Vertrag bis 2026 verlängert.
Da hat wohl jemand geschnarcht im Sportdezernat. Da hat der gute Mike Josef (Dezernent für Planen, Wohnen und Sport, Anm. d. Red.) sich schön über den Tisch ziehen lassen, wenn der gleiche Titel einer Europameisterschaft auch nach Hamburg verkauft wird, weil dort neuerdings die Frauen die Europameisterin küren. Geld zu verdienen ist keine Schande, aber man darf es nicht überspannen. Ich habe das Gefühl, dass beim Ironman die Profitgier zu groß geworden ist. Das spüren auch die Menschen. Zu meiner Zeit waren bei gutem Wetter bis zu einer halben Million Leute an der Strecke. Als ich 2019 beim letzten richtigen Rennen vor Corona im Führungsfahrzeug mitgefahren bin, war ich erschrocken, wie wenig inzwischen los ist. Hätte der Ironman sein Alleinstellungsmerkmal Hawaii nicht mehr, hätten sie den Wettbewerb mit der Konkurrenz längst verloren. Alles andere macht Roth inzwischen besser – das muss ich neidlos anerkennen.
Sind sie noch am Triathlon interessiert?
Ich habe mir zuletzt den Ironman Hamburg angesehen, das war für mich ähnlich wie die WM in Utah eine eher leblose Veranstaltung. Mich interessiert das natürlich nach wie vor, ich schaue den Ironman Hawaii und Frankfurt, aber ich werde diesmal nicht da sein. Sehr gerne möchte in an dieser Stelle aber ehemaligen Mitarbeitern wie Kai Walter, Thomas Dieckhoff und Björn Steinmetz danken.
Interview: Frank Hellmann