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„Ich war entsetzt“

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Von: Nico-Marius Schmitz

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Klare Kante: Lèa Krüger hält mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg.
Klare Kante: Lèa Krüger hält mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. © Imago

Scharfe Kritik von Léa Krüger zu dem FIE-Beschluss, russische Fechter:innen zuzulassen.

Frau Krüger, hat Sie die Entscheidung der FIE, russische und belarussische Sportler zuzulassen, überrascht?

Ich habe auf jeden Fall damit gerechnet. Das war mit Ansage. Trotzdem war ich entsetzt darüber, dass es einfach passiert ist. Auf einmal bekommt man die Nachricht: Russische und belarussische Sportler sind wieder dabei. Aber was ist mit Doping, wie wird es aussehen, wenn russische gegen ukrainische Fechter antreten, wie läuft das mit der Qualifikation für Olympia ab? Es gab viele Fragen und die Rückmeldung war: Ach, das wurde gar nicht behandelt. Es wurde einfach entschieden, ohne dass irgendetwas geklärt wurde. Das hat mich sprachlos gemacht.

Zeigt die Entscheidung auch, dass der ehemalige FIE-Präsident und russische Oligarch Alischer Usmanow weiter großen Einfluss hat?

Der Weltverband hat sich in den letzten Jahren zu abhängig von Usmanow gemacht. Es gibt so gut wie keine eigenen und unabhängigen Sponsoren. Der größte Teil des Haushalts kommt von Usmanow. Und es besteht natürlich auch ein Interesse daran, dass das Geld weiter fließt. Entwicklungsländer bekommen beispielsweise von der FIE über einen Hilfsfonds Unterstützung, um das Fechten dort aufzubauen. Das ist ja grundsätzlich super, aber woher kommt das Geld? Von Usmanow. Deswegen war die Entscheidung der FIE auch nicht wirklich verwunderlich.

Hatten Sie Kontakt mit ukrainischen Fechtern?

Es gab viele sehr emotionale Gespräche. Besonders mit Olga Kharlan hatte ich viel Kontakt. Sie hat mir erzählt, dass die ukrainische Regierung entschieden hat, keine Wettkämpfe im Fechten mehr zu finanzieren, solange es eine russische und belarussische Beteiligung gibt. Das kann für Kharlan das Karriereende bedeuten. Die Olympiaqualifikation beginnt ab April, sie wird auf kein Qualifikationsturnier fahren können, das war es. Das ist so krass. Olga Kharlan ist für viele Fechter, besonders im Nachwuchsbereich, ein riesiges Idol. Und zu wissen, dass diese Frau eventuell ihre Karriere beenden muss, macht mich richtig traurig. Die Interessen der ukrainischen Sportler haben nicht ansatzweise Gehör gefunden. Wir haben bei „Athleten Deutschland“ seit Kriegsbeginn ja immer wieder betont, dass ganz klare Kriterien und mögliche Sanktionen festgelegt werden müssen. Die Verbände hätten sich alle klar positionieren müssen. Diese Debatte wurde aber nicht geführt. Es wurde nichts festgelegt. Im Fechten sieht man aktuell, wozu das Ganze dann führt. Es gibt keine Sanktionen gegen Russland und wir Sportler sind im Endeffekt wieder die Leidtragenden.

Wie beurteilen Sie die Entscheidung des Deutschen Fechtbundes, den FIE-Beschluss zu akzeptieren?

Ich persönlich hätte mir eine Verurteilung der Entscheidung gewünscht und dass man sie nicht akzeptiert.

Der DOSB hat sich weiter für den Ausschluss von Russland und Belarus ausgesprochen.

Es ist sehr gut und sehr wichtig, dass der DOSB klar seine Position veröffentlicht hat. Das hätte meiner Ansicht auch schon ein bisschen früher erfolgen können. Aber es ist wichtig, dass es jetzt passiert ist. Der DOSB hat die Landesverbände und uns Athletenvertreter mit einbezogen. Den Worten und dieser Stellungnahme müssen nun Taten folgen. Die ganzen offenen Fragen, die wir gerade im Fechten hautnah erleben und die in anderen Sportarten noch kommen können, müssen geklärt werden. Sonst gibt es ein riesiges Chaos. Wir Athleten müssen uns endlich wieder auf den Sport konzentrieren können.

Sie sind als Athletensprecherin sehr engagiert – ist der Spagat zwischen Spitzensport und Sportpolitik manchmal einfach zu anspruchsvoll?

Ich bin ganz ehrlich: Es gibt Tage, an denen alles zu viel wird. Gerade bei Themen, die auch emotional aufgeladen sind. Die Wiederzulassung der russischen Sportler beschäftigt mich natürlich extrem, weil es in meiner Sportart passiert. Ich liebe das Fechten, wenn ich auf der Bahn stehe, kann ich das ausblenden. In dem Moment im Wettkampf bin ich einfach nur Athletin. Aber sobald die Maske ab ist, fangen die Gedanken wieder an zu kreisen.

Das IOC hat in den letzten Jahren durch seinen Kurs und die Vergabe der Spiele nach China oder Russland einige fragwürdige Entscheidungen getroffen. Müssen sich die Verbände mehr vor die Athleten stellen?

Die Verantwortung, die von dem Verband übernommen werden muss, um den Athleten zu schützen, wurde in den letzten Wochen und Monaten einfach zu oft hin- und hergeschoben. Erst hieß es, das IOC soll entschieden, dann die Weltverbände. Eine klare Linie gab es nicht. Keiner hat in den letzten Monaten Verantwortung übernommen. Wir Athleten dürfen bei so was nicht allein gelassen, wir müssen geschützt werden. Es kann nicht sein, dass wir uns nur mit politischen Themen beschäftigten und der Sport in den Hintergrund gerät. Das Verhalten des IOC und der Weltverbände war oft fahrlässig. Das zeigt auch, dass immer noch viel Nachholbedarf bei der Einbindung und dem Einfluss von Athleten besteht. Das ändert sich hoffentlich so schnell wie möglich.

Interview: Nico-Marius Schmitz

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