Hall of Fame

Die deutschen Bob-Piloten schienen auf der Heimbahn in Altenberg quasi unbesiegbar – dann kam der Brite Brad Hall
In der Bob-Familie erinnert man sich gerne an Steven Holcomb. Diesen wundervoll lustigen US-Amerikaner mit dem kleinen Bauchansatz, diesen unglaublich guten Piloten und Olympiasieger, der im Jahr 2017 mit 37 Jahren tot aufgefunden wurde. Er hat die Szene in vielerlei Hinsicht geprägt – und auch diesen einen Satz gesagt. Er lautet: „Die Deutschen in Altenberg zu besiegen, ist der ultimative Test in diesem Sport.“ Brad Hall hat den Test bei der WM-Generalprobe im Januar gleich doppelt bestanden.
Das waren zwei Ausrufezeichen, die der Brite da bei den beiden Weltcups inklusive Europameisterschaft gesetzt hat. Zum ersten Mal seit 17 Jahren hat auf dem Eiskanal im Erzgebirge kein Deutscher gewonnen, und es ist nur logisch, was Hall sich für das WM-Rennen im Vierer an diesem Wochenende vorgenommen hat.
Geldsorgen sind passé
Im Zweier reichte es in St. Moritz nicht zu einer Medaille, in der Königsdisziplin aber mischt der 32-Jährige schon den gesamten Winter über ganz vorne mit. Wie Dauer-Dominator Francesco Friedrich hat Hall bisher drei Saisonsiege eingefahren, im Vierer-Weltcup liegt er vorne. Und dass die Bahn in St. Moritz ihm traditionell nicht sonderlich liegt, sieht er nicht als schlechtes Omen an. Vielmehr sagt er: „Auch in Altenberg haben wir nicht immer gute Ergebnisse geliefert – und jetzt gewonnen. Es gibt also keinen Grund, aus dem wir es nicht schaffen sollten.“
Der Aufschwung des ehemaligen Leichtathleten war im deutschen Team schon lange bekannt. Und während in der Öffentlichkeit das Duell zwischen Friedrich und dem frisch gebackenen Zweier-Weltmeister Johannes Lochner das Thema des zweiten WM-Wochenendes ist, weiß man intern schon ganz genau, dass noch andere im Kampf um Gold mitmischen werden.
Hall hat sich da im wahrsten Sinne des Wortes hochgearbeitet und ist im Schatten der Medaillensammler über bald ein Jahrzehnt zu dem Piloten gewachsen, vor dem Friedrich und Co. jetzt zittern. Seine bisher beste WM-Platzierung war ein vierter Platz im Zweier in der Saison 2018/19. Im Gesamtweltcup fand man ihn seit seinem Debüt vor acht Jahren zwischen dem zehnten und 20. Platz. Keiner, den man so ernst nahm.
Daran, dass es jetzt so viel besser läuft, haben vor allem die Rahmenbedingungen einen großen Anteil. Während Hall und sein Team in den vergangenen Jahren mit allen Mitteln Geld aufbringen mussten, um sich über Wasser zu halten, können sie sich dank einer Verbands-Finanzspritze von 1,8 Millionen Pfund für den laufenden Olympiazyklus heuer ausschließlich auf den Wettkampf konzentrieren.
Das Material und die Form stimmen, der Kopf ist frei. Hall sagt: „Wir kommen zu jedem Rennen und wissen, dass wir eine Medaille gewinnen wollen – und jetzt auch können.“ Holcomb holte einst in St. Moritz Bronze. Hall hat da noch Größeres vor.