Zwei, die aus der Spur gekommen sind

Der VfL Wolfsburg und Hertha BSC treffen am Samstag als aktuelle Krisenklubs aufeinander.
Es gibt Szenen im Fußball, die sagen binnen weniger Sekunden mehr über den Zustand einer Mannschaft als der ganze Rest einer Saison. Die 65. Minute der Partie des VfL Bochum gegen den VfL Wolfsburg brachte so eine Sekunden-Erkenntnis. Und zwar eine Erkenntnis von der Sorte, die im Profifußball nur ganz, ganz selten zu sehen ist. Und die nichts Gutes aussagt über den VfL Wolfsburg, der am Sonntagabend die nun schon achte Pflichtspielniederlage in Folge kassierte - Vereinsnegativrekord.
Diese Statistik spiegelt den Zustand wider. Vor dem spielentscheidenden Bochumer Tor spielte der Wolfsburger Yannick Gerhardt tief in der eigenen Hälfte den Mittelstürmer Wout Weghorst an. Der passte den Ball zurück, allerdings nicht auf einen Mitspieler, sondern in des Gegners Füße. Weghorst blieb daraufhin wie zur Salzsäule erstarrt genau dort stehen, wo er seinen Abspielfehler begangen hatte. Yannick Gerhardt seinerseits beobachte die folgende Flanke des Bochumers Gerrit Holtmann in den Strafraum aus vier, fünf Metern Entfernung mit beiden Händen in die Hüften gestemmt stehend. Ganz so, als wollte er damit non-verbal mitteilen, dass er keineswegs gewillt sei, die absehbar gefährlichen Folgen des nachlässigen Rückpasses seine Mannschaftskollegen Weghorst zu verhindern. Trainer Florian Kohfeldt sprach nach dem Spiel von einem „unglücklichen Ballverlust“. Nach Studium der Videobilder weiß er es sicher besser. Es war schlicht eine Form der Arbeitsverweigerung.
Die geradezu unfassbare Unprofessionalität beider Profis führte dann, gepaart mit fehlender Abstimmung im Zentrum, zum 0:1. Wolfsburg hatte wieder einmal verloren. Und der ehemalige Werder-Coach Kohfeldt ist mit den Grün-Weißen aus der Autostadt jetzt ganz in der Nähe von jenem Standort in der Bundesligatabelle unterwegs, an dem er sich mit den Grün-Weißen aus der Hansestadt befunden hatte, als er im Mai vergangenes Jahres einen Spieltag vor Ultimo beurlaubt wurde: tief drin im Keller. Der Trainer hatte vor der kurzen Winter-Unterbrechung davon gesprochen, dass sie gemeinsam „etwas Neues schaffen“ wollten. Das ist keine ganz unkluge Rhetorik nach all den Wochen und Monaten des Ungemachs, das sich in Wolfsburg unter Mark van Bommel und Kohfeldt selbst angehäuft hatte.
Von der „aggressiven Defensive“ (siehe Gegentor), die der Trainer angekündigt hatte, war im entscheidenden Moment nichts zu sehen. Ein „mutiger, zielstrebiger und strukturierter Kombinationsfußball“ war allenfalls in sehr leicht dosierten homöopatischen Dosen zu diagnostizieren. Neben Weghorst, der verdächtig so aussieht, also wolle er nur noch weg aus Wolfsburg, enttäuschten auch Ex-Nationalspieler Luca Waldschmidt und Maximilian Philipp komplett. Einzig bei Ridle Baku war ein leichter Aufwärtstrend erkennbar.
Nächsten Samstag empfangen die zahnlosen Wölfe Hertha BSC, was bedeutet, dass die beiden aktuellen Krisenklubs aufeinandertreffen. Tabellennachbarn sind sie auf den Plätzen 13 (Hertha, 21 Punkte) und 14 (Wolfsburg, 20). Der Relegationsplatz ist nur noch drei respektive zwei Zähler entfernt, ein direkter Abstiegsplatz lediglich ein Pünktchen mehr.
Kommt Kovac zur Hertha?
Beim Hauptstadtklub ist die Not noch nicht ganz so groß wie im nur eine gute Zugstunde entfernten Wolfsburg. Auch die Hertha hat - wie der VfL - schon den Trainer gewechselt. Tayfun Korkut kam für Pal Dardai und hat es in fünf Spielen unter seiner Führung immerhin auf eine ausgeglichene Bilanz gebracht. Aber es würde schon schwer verwundern, sollte der langjährige Bekannte von Sportchef Fredi Bobic mehr sein als der Mann, der der ollen Hertha irgendwie mit Zähneklappern den Klassenerhalt beschert.
Damit danach womöglich Niko Kovac übernehmen kann, den der AS Monaco an Neujahr vor die Tür gesetzt hat. Bobic, der alte Kovac-Spezi, wundert sich natürlich nicht über die reflexhaften Reaktionen der Medien zur Personalie Kovac, sagt aber auch, er könne „nichts ausschließen“.
Niemand würde behaupten, dass sich seit Ankunft des vormaligen Frankfurter Erfolgsmanagers auf dem Fußballplatz viel zum Guten entwickelt hat in Berlin-Charlottenburg. Bemerkenswert ist aber gleichwohl, dass Bobic die traditionell nicht als unaufgeregt bekannten Berliner Medien besser in Schach hält als die Hertha ihre Gegner.
Die 1:3-Niederlage gegen den 1. FC Köln war ebenso verdient wie das 0:1 der Wolfsburger in Bochum. Finanzieller Aufwand und sportlicher Ertrag stehen an beiden Standorten gerade in einem kapitalen Missverhältnis.
