Wurst Case

Dirk Zingler, Präsident von Union Berlin, springt mühelos von der Bratwurst zum Gendern und hält sich dabei den Spiegel eines ziemlich Gestrigen vor.
Der liebe Gott, heißt es, weiß alles, nur nicht, was in der Wurst ist. „Welch gemeißelter Spruch. Da bleibt eigentlich nur Resignation“, folgerte der Satiriker Wiglaf Droste in seinem Wurst-Standardwerk „Wurst“. Auch der Präsident des Fußball-Bundesligisten Union Berlin, Dirk Zingler, der mitunter den Verdacht provoziert, es handele sich bei ihm um eine außer Kontrolle geratene Satire-Performance, hat sich neulich zum Thema Wurst ausgelassen, und das klang ein bisschen gestrig, um nicht zu sagen: wurstig.
„Zuletzt gab es die Frage nach veganen Würstchen bei uns im Stadion“, verriet Zingler: „Ich habe grundsätzlich nichts gegen vegane Würstchen, aber wir werden nicht jeden Wunsch erfüllen. Fußball bedeutet bei uns: Bratwurst, Bier, 90 Minuten Fußball. Auch die Sprache darf bei uns im Stadion rau sein. Wir werden als Klub nicht gendern.“
Sätze wie Würste waren, alles reingeworfen und durch den Fleischwolf gedreht, bis eine schwer verdauliche Masse entstanden ist, deren Ursprünge nicht mehr nachvollziehbar sind. Ob der liebe Gott vielleicht weiß, was im Zingler vorgeht, und wie es ihm mühelos gelingt, von der Bratwurst zum Gendern zu springen? Eigentlich bleibt auch hier nur Resignation, aber die können wir uns gerade nicht leisten.
Symbolische Politik
Natürlich ist Zinglers Faszination mit der Wurst nachvollziehbar. Vermutlich fühlt er, der als ehemaliges Mitglied eines Stasi-Wachregiments nun ausgerechnet den Berliner Anti-Stasi-Klub 1.FC Union anführt, sich der Wurst einfach nahe, identifiziert sich mit ihrem rätselhaften Charakter, und wenn man hineinpikst, besteht die Gefahr, dass einem etwas schmerzhaft Heißes entgegenspritzt, bei der Bratwurst wie beim Zingler. Stichwort: Geisterspiele. Wer dem Zingler damit zu nahe getreten ist, sollte sich schnellstens in Deckung begeben, höchste Explosionsgefahr besteht dann, aber wer im Davonhechten noch daran gedacht hat, ihm das Aufnahmegerät hinzuschmeißen, wird mit einer zugkräftigen Schlagzeile belohnt. Das Wort Symbolpolitik kann man schon vorher hintippen. Spart Zeit.
Für Dirk Zingler sind die Geisterspiele nämlich Symbolpolitik, und die mag ein zupackender und zubeißender Charakter wie er natürlich gar nicht. Da geht es ihm wie dem BVB-Boss und DFL-Aufsichtsrat Hans-Joachim Watzke und Frank Bohmann, Ligachef im Handball, oder Fredi Bobic von Hertha BSC, der die Impfdebatte im Profifußball für Symbolpolitik hält. Aber was ist das Schlimme an Symbolen? Was das Schlimme am Verweis darauf, dass man gerade lieber nicht in Massen an einem Ort zusammenkommen sollte? (Abgesehen davon, dass ein Spiel ohne Publikum da auch eine sehr reale Funktion hat). Oder darauf, dass es wirklich sehr ratsam ist, sich impfen zu lassen, auch wenn man jung und fit ist? Zum Wohle aller?
Am Ende ist ja auch die klassische Wurst ein Symbol. Im Falle von Dirk Zingler ein Symbol dafür, dass ihm manche Menschen und Lebenseinstellungen vollkommen egal sind, beziehungsweise: Wurst.