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WM-Rechte: Infantinos Rachefeldzug gegen Europa

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Von: Frank Hellmann

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Erstaunliche Trophäe: Der WM-Pokal auf Besuch in Berlin.
Erstaunliche Trophäe: Der WM-Pokal auf Besuch in Berlin. © dpa

Die Trophy Tour der Fifa vor der Frauen-WM kann nicht übertünchen, dass die Vorfreude massiv getrübt ist - ein TV-Blackout droht, weil der Fifa-Präsident nach mehr Einnahmen giert.

Für die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) nimmt Martina Voss-Tecklenburg nach eigenem Bekunden schon mal Augenringe in Kauf. Nur die Auslosung zur neuen Nations League, in der Deutschland übrigens im Herbst dieses Jahres auf Dänemark, Island Wales trifft, hat die Bundestrainerin ausgelassen, die sich ansonsten ein anspruchsvolles Programm zugemutet hat. Erst eine WM-Inspektionsreise nach Down Under, dann die Dienstreise nach London zum Champions-League-Finaleinzug des VfL Wolfsburg, am Mittwoch die Teilnahme an der so genannten Fifa Trophy Tour in Berlin.

Damit jeder der erstmals 32 WM-Teilnehmer eine Vorfreude entwickelt, stattet der Weltverband Fifa jedem Land einen Besuch mit dem WM-Pokal ab. Nun war der zweimalige Weltmeister an der Reihe. Nach einem Besuch einer Mädchenfußball-Schul-AG und einem Event mit Fans in einem Ausrüster-Shop trafen bei einem „WM-Kick-Off“ im Auswärtigen Amt Außenministerin Annalena Baerbock, DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Generalsekretärin Heike Ullrich und die Bundestrainerin zusammen.

Gemeinsam mit ihrer Co-Trainerin Britta Carlson hatte die 55-Jährige in der Vorwoche persönlich vor Ort die Optionen abgeklopft, im dem fast 100 Kliometer nördlich von Sydney gelegen Basiscamp einem möglichen Lagerkoller vorzubeugen. Mit Beginn des ersten Trainingslagers in Herzogenaurach ist der deutsche Tross ja im Optimalfall bis zum Finale am 20. August im riesigen Australia-Stadion von Sydney zwei Monate zusammen.

Voss-Tecklenburg negiert zwar beharrlich, dass der amtierende Vize-Europameister mit seinen Vorrundengegner Marokko (24. Juli), Kolumbien (30. Juli) und Südkorea (3. August) eine leichte Gruppe erwischt hat, doch es hätte definitiv schlimmer kommen können. Die Spiele werden in Melbourne, Sydney und Brisbane zu deutscher Zeit 10.30, 11 und 12 Uhr angepfiffen.

Ob sie im deutschen Fernsehen zu sehen sind, ist ungewisser denn je. Die Gefahr des TV-Blackouts wächst täglich. Offiziell muss beispielsweise der Visa-Prozess für Medienvertreter bis zum 28. Mai abgeschlossen sein. Speziell bei ARD und ZDF, die ansonsten diese Turniere übertragen, wachsen die Zweifel, ob die Fifa wirklich einen Verkauf der Rechte noch anstrebt, nachdem die Vorstellungen so weit auseinanderklaffen.

Fifa-Präsident Gianni Infantino drohte nun damit, die Rechte „einfach nicht zu verkaufen, sodass die Europäer die WM nicht schauen können.“ Die Angebote besonders aus den fünf großen europäischen Ländern seien immer noch „sehr enttäuschend und einfach nicht akzeptabel“, schrieb der 53-Jährige. Ein Tritt vors Schienbein gegen die reichweitenstärksten Kernmärkte des Frauenfußballs in Europa.

ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky hatte zuletzt versichert, ARD und ZDF hätten im Rahmen dieser Ausschreibung ein marktgerechtes Angebot platziert. „Dass die Fifa offenbar derzeit sowohl in Deutschland als auch in anderen großen europäischen Märkten die Rechte dennoch nicht vergeben möchte, können wir für den Moment nur zur Kenntnis nehmen.“ Geredet wird offenbar nicht mehr miteinander – Infantino sei auf einem Rachefeldzug gegen seine Intimfeinde aus Europa, heißt es.

Dass der eigentlich für andere Aufgaben zuständige Fifa-Boss sogar Rechtefragen einer Frauen-WM in seinen Zuständigkeitsbereich verlegt, sagt vieles über das Rollenverständnis eines Mannes, dem es bei solchen Drohungen gewiss nicht um die Entwicklung des Frauenfußballs geht. In erster Linie wittert er die nächsten lukrativen Geschäfte. Die Leidtragenden des ungeklärten TV-Pokers sind die Spielerinnen und Trainerinnen, deren Vorfreude auf das Event im ozeanischen Winter reichlich getrübt wird.

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