Bremen, Werder und der DFB: Ende der Eiszeit

Warum im Juni in Bremen nach elf Jahren wieder ein Fußball-Länderspiel stattfinden wird.
Man kann sicher nicht behaupten, dass Länderspiele in Bremen stets unter einem guten Stern stehen. Bei Michael Ballacks Debüt in der deutschen Fußballnationalmannschaft im April 1999 fiel erst während der Partie die Flutlichtanlage aus, dann gewann Schottland 1:0. Und auch das bisher letzte Spiel des DFB-Teams in der Hansestadt gegen Frankreich ging 1:2 verloren. Das ist jetzt elf Jahre her.
Seitdem hat die A-Nationalmannschaft nie wieder in Bremen gespielt. Das für November 2014 angesetzte EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar wurde vom DFB kurzerhand aus der Hansestadt ins zugige Max-Morlock-Stadion nach Nürnberg verlegt. Denn die Atmosphäre des Bremer Senat zur Deutschen Fußball-Liga (DFL) befand sich seinerzeit auf Gefrierschranktemperatur.
Seit geraumer Zeit gibt es Anzeichen für Tauwetter, das im Juni diesen Jahres darin münden wird, dass Deutschlands Eliteteam wieder in Bremen Fußball spielt. Der DFB gibt sich öffentlich noch zurückhaltend: Er befinde sich „in Gesprächen, zu denen wir zum aktuellen Zeitpunkt aber keinen Wasserstand abgeben können“.
Hintergrund des zunächst verbissen geführten Streits war der Entscheid der seit Urzeiten von der SPD angeführten Bremer Politik, über das Normalmaß hinaus anfallende Polizeikosten für Hochrisikospiele des SV Werder an die DFL weiterzuleiten. Deren damaliger Chef Christian Seifert bekundete gemeinsam mit Ex-Ligapräsident Reinhard Rauball null Verständnis für den Vorstoß aus dem kleinsten Bundesland, dem bislang kein anderes Bundesland gefolgt ist. Der DFB mit seinem ein Jahr später zurückgetretenen Präsidenten Wolfgang Niersbach lief der Bundesliga brav bei Fuß und stornierte die Begegnung in Bremen zugunsten von Nürnberg, wo es zwar nur ein völlig veraltetes Stadion gibt, dass dafür aber ganz in der Nähe Ausrüster Adidas zu Hause ist.
Schließlich traf man sich mehrfach vor Gericht, Bremen besiegte die Bundesliga und schickte für eine Handvoll Spiele zwischen 2015 und 2019 Gebührenbescheide in Höhe von gut einer Million Euro an die DFL. Die zahlte missmutig und beteiligte den darob wenig amüsierten SV Werder hälftig an den Kosten. Zudem erstattete sie Verfassungsbeschwerde vorm Bundesverfassungsgericht. Dort steht der Fall in der Warteschleife.
Der DFB setzt dennoch auf Entspannungspolitik und teilte auf Anfrage der Frankfurter Rundschau mit: „Unabhängig davon, dass DFB und DFL weiterhin einen klaren gemeinsamen Standpunkt zu Fragen der Polizeikosten bei Hochrisikospielen haben, ist dem DFB an einer Entspannung des Verhältnisses zu Verantwortlichen der Bremer Politik gelegen.“
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer nahm die kurzfristige Wegnahme des Länderspiels gegen den Fußballzwerg Gibraltar seinerzeit so zur Kenntnis: „Wir hätten von den beiden Fußballverbänden erwartet, dass sie mit scharfen Argumenten in die Auseinandersetzungen gehen und nicht mit fragwürdigen Strafaktionen.“ In der Sache blieb er standhaft. In der DFL-Zentrale in Frankfurt gehörte Mäurer geraume Zeit zu jenen Menschen, über die man mit tiefer Abscheu sprach.
Inzwischen haben sich sowohl der DFB als auch die DFL mehrfach gehäutet, der DFB verschliss seit 2014 mehrere Präsidenten, bei der DFL ging vergangenes Jahr Boss Seifert, auch Nachfolgerin Donata Hopfen ist bereits Vergangenheit. In Bremen ist der unerschütterliche Senator Mäurer noch immer da, wo er 2014 schon war: im Innenressort, das für die Polizei zuständig zeichnet.
Der seit fast einem Jahr amtierende DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat sich in die Causa intensiv eingelesen und gemeinsam mit dem neuen Ligaboss Hans-Joachim Watzke wohlwollend registriert, dass Bremen seit Ausbruch der Coronakrise keine Gebührenbescheide mehr verschickt hat. Auch nicht, seit das Weserstadion wieder randvoll ist. Im vergangenen Oktober kam es zu einem Geheimbesuch von Neuendorf bei seinem sozialdemokratischen Parteifreund Mäurer. Dem Vernehmen nach verlief die Unterredung in angenehmer Atmosphäre. Die auf Initiative von Neuendorf betriebene Diplomatie hat gefruchtet.
Laut FR-Information ist die Vergabe eines Länderspiels nach Bremen - der Gegner für den avisierten 11. Juni steht noch nicht fest - nicht mit dem Koppelgeschäft verbunden, der DFL künftig keine Polizeikosten mehr in Rechnung zu stellen. Darauf würde sich Senator Mäurer sicher nicht einlassen. Der sagte dieser Tage nur: „Es ist immer gut, im Gespräch zu bleiben.“ Deshalb habe er sich „auch gerne mit Herrn Neuendorf getroffen“.
Auch der Bremer Landesverbandspräsident Björn Fecker äußerte sich bei Radio Bremen: „Wir haben dem neuen Präsidenten Bernd Neuendorf mit auf den Weg gegeben, dass wir uns sehr freuen würden, wenn es wieder Länderspiele in Bremen geben würde. Ich weiß auch, dass Werder Bremen sich das auf die Fahnen geschrieben hat.“
Zumal die von Stadt und Land zu gleichen Teilen finanzierte Weserstadion-GmbH davon profitieren würde. Ein paar hunderttausend Euro bleiben bei einem Länderspiel nämlich hängen. Geld, das der klamme Klub und das ebenfalls wenig betuchte Bundesland gut gebrauchen können.
Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald ist hoffnungsvoll: „Natürlich freuen wir uns, dass der DFB anscheinend Bremen nach elf Jahren wieder für ein Länderspiel in Betracht zieht. Die Entscheidung liegt beim DFB, aber es wäre natürlich für Werder und Bremen ein wichtiges Zeichen, dass wir wieder als Spielort für Länderspiele in Frage kommen.“
Auch Werders Nationalmittelstürmer Niclas Füllkrug begrüßt den Plan, den das DFB-Präsidium noch offiziell abnicken muss. Ein Länderspiel daheim im Weserstadion? „Das würde schon kribbeln.“