Werden künftig nur noch geimpfte Spieler eingeladen?

Bundestrainer Hans Flick kündigt an, in den nächsten Wochen vertiefende Gespräche mit den betroffenen Nationalspielern zu führen.
Eine Überraschung war das keinesfalls: Bundestrainer Hansi Flick musste am Tag vor dem WM-Qualifikationsspiel am Donnerstag gegen Liechtenstein (20.45 Uhr/RTL) in Wolfsburg mehr Fragen zum großen Coronavirus beantworten als zum kleinen Gegner. Man kann nicht behaupten, dass der Bundestrainer darüber sonderlich begeistert gewesen wäre, aber er hatte natürlich damit gerechnet.
Nachdem neben dem positiv getesteten, doppelt geimpften Niklas Süle vier weitere mutmaßlich ungeimpfte Nationalspieler vom Gesundheitsamt nach Hause in Quarantäne geschickt wurden, will sich Flick überlegen, ob er künftig noch ungeimpfte Spieler nominiert. „Wir müssen schauen, wie wir das in Zukunft machen, um uns bestmöglich zu schützen.“ Er wolle sich nach dem Lehrgang darüber intensiver Gedanken machen.
Eine Konsequenz könnte also durchaus sein, dass der 56-Jährige künftig davon absieht, ungeimpfte Profis in seinen Kader zu nominieren, wenngleich Flick ausdrücklich darauf hinwies: „Wir haben keine Impfpflicht. Man darf die Leute, die sich nicht impfen lassen, nicht verurteilen. Jeder hat das Recht, das Impfen zu verweigern.“ Gleichwohl sei aus seiner Sicht „Impfen der einzige Weg aus der Pandemie“. Für Profifußballer gelte das umso mehr aufgrund ihres stetigen Kontakts mit der Öffentlichkeit. „Wir haben eine Riesen-Verantwortung.“ Das waren in der Tat deutlichere Worte als sie am Vortag Manager Oliver Bierhoff gefunden hatte.
Flick kündigte an, er werde in den nächsten Wochen vertiefende Gespräche mit den Spielern führen. „Ich hoffe und wünsche, dass wir in Zukunft nicht wieder fünf Spieler nach Hause schicken müssen.“
Joshua Kimmich, Serge Gnabry, Jamal Musiala und Karim Adeyemi dürfen also mit Anrufen des Bundestrainers rechnen, der natürlich weiß, dass solche Unterredungen mit der gebotenen Sensibilität zu führen sind. Ein Blick in die Sozialen Netzwerke zeigt, wie sehr dieses Thema polarisiert, Impfbefürworter und Impfgegner stehen sich in Schützengräben gegenüber.
Thomas Müller äußert sich
Thomas Müller wollte sich sicher auch aus diesem Grund am Mittwoch nicht konkret äußern, sagte dann aber doch einiges. „Von mir wird es keinen Beitrag geben, die eine tolle Überschrift hergibt.“ Zumal er die Fußballbranche nicht als medizinisch Expertenrunde ansieht. „Welche Regeln aufgestellt werden, obliegt nicht uns Spielern.“ Es handele sich, so Müller, um eine „moralisch-ethisch“ ganz schwierige Debatte, „deshalb diskutiert das ganze Land, die ganze Welt“.
Der Offensivmann wurde dann noch gefragt, ob er Mitleid mit seinem Münchner Teamkollegen Joshua Kimmich habe, weil dieser aufgrund seiner fehlenden Impfung nun nicht an den Länderspielen gegen Liechtenstein und Sonntag in Armenien teilnehmen könne. Müller entgegnete sehr deutlich, das Setup der Regeln sei allen Beteiligten klargewesen. Laut RKI müssen ungeimpfte Kontaktpersonen eines Infizierten sich in Quarantäne begeben - zum eigenen Schutz und zum Schutz der Allgemeinheit.
Dass es nun im Kreis der Nationalspieler zu einem positiven Test gekommen sei, könne niemanden verwundern. „Man darf das auch nicht überdramatisieren. Das trifft die gesamte Gesellschaft.“ Wenn man den Experten zuhöre und logisch denke, sei die derzeitige Verbreitung des Virus keine Überraschung. Müller arrangiert sich damit, so gut er kann: „Es fallen immer wieder Spieler aus. Damit muss man klarkommen. Wenn man sieht, wen wir nachnominieren können, sieht man, welche Qualität der deutsche Fußball bereithält.“
Aufgrund der ursprünglichen Benennung von Stürmer Lukas Nmecha sowie der Nachnominierungen von Ridle Baku und Maximilian Arnold gehören gleich drei Wolfsburger Lokalhelden zum Aufgebot, so viele aus der Volkswagenstadt wie nie zuvor.
Die öffentliche Diskussion um die Nationalspieler und die Forderung von St-Pauli-Präsident Oke Göttlich, nur noch geimpfte Spieler zuzulassen, betrifft auch die Deutsche Fußball-Liga, deren Präsidiumsmitglied der Hamburger Göttlich ist. In der Frankfurter DFL-Zentrale verweist man allerdings darauf, dass es keine rechtliche Handhabe dafür gibt, ungeimpften Spielern den Zugang zum Spielbetrieb zu verwehren. Dafür müsste eine Gesetzesänderung durch die Politik herbeigeführt werden.
Hansi Flick befindet sich indes in einer anderen Position. Der DFB ist nicht Arbeitgeber der Nationalspieler. Sie werden nominiert oder eben nicht nominiert. Insoweit könnte der Bundestrainer größeren Spielraum haben als die Kollegen in den Klubs.
Die „Bild“-Zeitung verwies in ihrer Mittwochausgabe auf die seit 1. November geltende gesetzliche Regelung, wonach Arbeitgeber bei Ungeimpften, die sich in Quarantäne begeben müssen, keine Pflicht zur Lohnfortzahlung mehr haben. Will heißen: Der FC Bayern könnte die Gehaltszahlungen unterbrechen. „Bild“ errechnete im Fall von Joshua Kimmich bei einer siebentägigen Quarantäne bei einem angenommenen Jahresgehalt von 20 Millionen Euro einen möglichen Verdienstausfall von brutto 384 000 Euro. Der FC Bayern wollte sich laut des Blatts nicht dazu äußern.
Kommentar, S. 22