Warum Fredi Bobic gehen musste

Hertha BSC erklärt die überraschende Trennung vom Sportchef: „Wir brauchen mehr Leidenschaft und Überzeugung“.
Kay Bernstein, sichtlich nervös, hatte sich am Sonntagmittag sicherheitshalber Verstärkung mitgebracht. Neben dem Präsidenten von Hertha BSC saßen der neue Sportchef Benjamin Weber, der nach dem Rauswurf von Fredi Bobic einzig verbliebene Geschäftsführer Thomas Herrich und der Aufsichtsratschef Klaus Brüggemann. Es galt, bei einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz zu erklären, warum der Tabellenvorletzte der Fußball-Bundesliga sich am Samstagabend nach dem 0:2 im Derby gegen Union Berlin in aller Eile von Sportchef Bobic und dessen vertrauten Mitarbeitern, Teammanager Thomas Westphal und dem Technischen Direktor Sebastian Zelichowski, getrennt hatte. Nicht aber von Kaderplaner Dirk Dufner und Trainer Sandro Schwarz.
Bernstein plant einen „strategischen Kurswechsel“. Man wolle die Hertha-DNA heben, die Entscheidung sei vergangene Woche gereift und „spielunabhängig“ getroffen worden. Der ehemalige Ultra, seit einem halben Jahr Vereinschef, will die Talente aus der eigenen Akademie künftig besser eingebunden sehen, denn: „Wir haben eines der besten Leistungszentren im Land, ein Vorzeigemodell, auf das wir stolz sind.“ Benni Weber hatte ebendort 18 Jahre lang gearbeitet, zuletzt als Leiter der Nachwuchsabteilung, ehe es vor elf Monaten zur Trennung kam. Nun soll der 42-Jährige es eine Stufe höher richten. Wenn Weber seine Arbeit gut macht, wird ihm in Aussicht gestellt, wie zuvor der nun freigestellte Bobic auch in die Geschäftsführung aufzurücken. Ihm zur Seite stellt die Hertha Ex-Profi Andreas „Zecke“ Neuendorf. Weber findet das gut: „Zecke brennt für die Jungs.“
Das, ließ Kay Bernstein durchblicken, habe Bobic nach anderthalb enervierenden Jahren bei der Hertha nicht mehr ausreichend getan. „Wir brauchen mehr Leidenschaft und Überzeugung, auch im täglichen Brennen für den Verein.“ Bobic habe die für ihn überraschende Nachricht am Samstagabend „unemotional“ aufgenommen. Bernstein dementierte nicht, dass ansonsten eine automatische Vertragsverlängerung um zwei Jahre von ursprünglich 2024 auf 2026 Anfang Februar gegriffen hätte.
Trainer Schwarz war ebenfalls Samstagabend informiert worden und hatte laut Bernstein „durchaus überrumpelt“ reagiert. Am Sonntagmorgen informierten Schwarz und Bernstein die Profis, die die Nachricht von der Trennung von Bobic aus den Medien oder dem Twitterkanal der Hertha erfahren hatten.
Deal mit 777 vor Abschluss
Aufsichtsrat Brüggemann ließ durchblicken, dass finanziell „unglaublicher Druck auf dem Kessel“ liege. Zwei Neue will die Hertha angesichts der prekären Tabellensituation dennoch bis zum Schließen der Transferliste am Dienstag holen. Sandro Schwarz und sein Trainerteam genössen „100 Prozent Rückendeckung“, so Bernstein. Eine Trennung soll wohl auch deshalb vermieden werden, weil sie Geld kosten würde.
Geld, das der Klub laut seines Geschäftsführers Thomas Herrich alsbald wieder heben könnte. Vorausgesetzt, der Deal mit der US-amerikanischen Investorengruppe 777 wird Wirklichkeit. 777 soll die Tennor-Gruppe um Lars Windhorst ersetzen. „Wir befinden uns auf der Zielgerade“, glaubt Herrich. In zwei bis drei Wochen soll die Zusammenarbeit besiegelt sein. „Das würde uns sehr helfen, Verluste der Vergangenheit ausgleichen zu können.“