Viele Baustellen im Brauseklub

Trotz des neuen Trainers Marco Rose komm RB Leipzig nicht ins Rollen. Liegen die Probleme womöglich tiefer? Ist dafür Max Eberl der richtige Mann? Ein Kommentar.
Vorweg: Großes Lob für den Schiedsrichter Patrick Ittrich, der in Zeiten von rätselhaften Widersprüchen seiner Gilde und noch heftigeren Reibereien auf Führungsebene am Samstagabend im Topspiel Borussia Mönchengladbach gegen RB Leipzig (3:0) ein klares Zeichen gesetzt hat. Der beliebte Hamburger mag es, Bundesligaspiele mit langer Leine zu leiten, hat aber eine kurze Zündschnur, wenn es um beleidigende Spruchbänder geht.
Als die Gladbacher-Fans aus der Nordkurve meinten, sie müssten über Botschaften in Gossensprache ihren verdienten Ex-Macher Max Eberl aufs Übelste beleidigen, befahl Ittrich dem Stadionsprecher unverzüglich, dass die Hassplakate abgehängt werden. Der Fußball ist Projektionsfläche für viel zu vieles – wenn darauf aber solch schmähende Äußerungen stehen, erklärte Ittrich danach, könne er das nicht dulden. Schließlich seien auch genug Kinder im Stadion, die das alles lesen. Guter Vater.
Seit Wochen und Tagen hat sich am Niederrhein eine Antipathie gegen Eberl aufgebaut, dem sein tränenreicher Abschied nicht mehr abgenommen wird. Dazu hat das Gladbacher Fanprojekt auch einen Offenen Brief aufgesetzt, in dem der 48-Jährige ganz, ganz schlecht wegkommt.
Sicherlich bietet einer Angriffsfläche, wenn er bald bei jenem erst 2009 erschaffen Vereinskonstrukt anheuern will, das in der Ausgestaltung das Gegenteil eines Traditionsvereins darstellt, dessen Werte auch der gebürtige Niederbayer so gern herausgestellt hat.
Aber wer weiß schon, was hinter den Kulissen bei der Borussia abgelaufen ist; welche Zerwürfnisse es intern gegeben hat, die den langjährigen Manager und Sportdirektor zur Aufgabe bewogen haben? Selbst der aktuelle Coach Daniel Farke findet das Ausmaß dieser Emotionen befremdlich. Immerhin hat wohl auch diese aufgeheizte Stimmung dazu geführt, dass der Pokalsieger wie schon vor zwei Wochen in der Frankfurter Arena (0:4) nun auch im Borussia-Park fast sang- und klanglos unterging.
Und das führt auf ein weiteres Problem hin, dass sich Eberls künftiger Arbeitgeber selbst eingebrockt hat. Nach der Trennung vom mächtigen Allesmacher Ralf Rangnick und dem viel zu früh wieder vergraulten Sportchef Markus Krösche zu glauben, ohne einen profunden Manager auskommen zu können, war ein fataler Irrglaube. Es reicht nicht, nur Marco Rose anstelle von Domenico Tedesco als Cheftrainer zu installieren – die Probleme liegen tiefer. Was vordergründig in diesem Sommer bei der Kaderzusammenstellung schlüssig wirkte (die Leistungsträger Konrad Laimer und Christopher Nkunku zu halten, die Nationalspieler David Raum und Timo Werner zu holen), scheint hintergründig Probleme aufzuwerfen. Rose hat angedeutet, dass die Gruppe keinen gemeinsamen Widerstandsgeist aufbringt. Ein klares Indiz für fehlenden Teamgeist.
Der Brauseklub hat viele Baustellen, aber einen Konzern im Rücken, mit dem er sich auch Irrtümer leisten kann. Auf lange Sicht kommt mit Eberl ein Stratege, der viel bewegen kann. Er allein hat Borussia Mönchengladbach nach dem Fast-Abstieg 2011 vor jener Verzwergung und jenen Schrumpfkuren bewahrt, die ähnlich emotionale Marken wie Schalke, Werder oder der HSV gerade noch durchmachen.