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VfB Stuttgart: Den Fans reißt der Geduldsfaden

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Von: Jan Christian Müller

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Nix zu lachen: Stuttgarter Profis nach der Niederlage gegen Wolfsburg.
Nix zu lachen: Stuttgarter Profis nach der Niederlage gegen Wolfsburg. © dpa

Die Fans des VfB Stuttgart begleiten das Abrutschen ans Tabellenende mit wütenden Pfiffen.

Als die 0:1-Niederlage des VfB Stuttgart gegen den VfL Wolfsburg dann unwiderruflich feststand, wurden die Schwaben von den Fans noch nicht entlassen. Sie mussten sich vor der Canstatter Kurve den gellenden Pfiffen stellen, den Buhrufen und abfälligen Gesten in ihre Richtung. Da standen sie auf Höhe des Elfmeterpunktes - Trainer Bruno Labbadia fünf, sechs Meter dahinter - und holten sich die kollektive Schelte des Publikums ab.

Das sind keine guten Voraussetzungen für den neuen Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga, um den inzwischen seit zweieinhalb Jahren fast permanent währenden Kampf um den Klassenerhalt anzugehen. Die VfB-Fans hatten zuletzt Langmut bewiesen, aber jetzt, nach zehn Bundesligaspielen mit nur einem Sieg unter dem mal wieder als Retter verpflichteten Labbadia, ist das, was mal ein langer Geduldsfaden war, bloß noch eine kurze Zündschnur. „Wir müssen das akzeptieren“, sagte der Trainer später in der Pressekonferenz.

Sich noch mal mit Fans und Medien anzulegen wie dereinst im Oktober 2012, das weiß auch der damals schwer genervte Labbadia, ist aktuell keinesfalls zu empfehlen. Seinerzeit hatte er nach gellenden Pfiffen im Zuge einer Auswechslung die Contenance verloren und eine legendäre Wutrede gehalten: „Ich kann nicht akzeptieren, wenn der Trainer hier wie der letzte Depp dargestellt wird. Die Trainer in der Bundesliga sind nicht die Mülleimer von all den Menschen hier. Als Bundesligatrainer muss man sich die Frage stellen: Geh ich den schweren Weg mit dem VfB Stuttgart mit oder sage ich ,am Arsch geleckt?´“

Im VfB-Kosmos ist das unvergessen, Labbadia wurde deshalb zehn Jahre später von vielen Teilen der Anhängerschaft mit einer Mischung aus Zurückhaltung und Abneigung empfangen. Zumal im Zuge seiner Verpflichtung der beliebte Sportdirektor Sven Mislintat den Klub verließ. Mislintat macht bis heute kein Hehl daraus, dass er lieber mit Interimstrainer Michael Wimmer weitergemacht hätte, der die gegenüber Vorgänger Pellegrino Matarazzo und Nachfolger Labbadia mit Abstand beste Saisonbilanz aufzuweisen hat.

Verkehrte Welt

Mislintats Nachfolger heißt Fabian Wohlgemuth, ein Mann aus der zweiten Liga, dessen Fachkenntnis in der Branche auch im Oberhaus durchaus geschätzt wird. Dieser Wohlgemuth muss nun schon Fragen nach Labbadia beantworten und erklärte eine Trennung stehe „nicht zur Debatte“. Ein vierter Chefcoach binnen einer Saison wäre auch am latent unruhigen Standort Stuttgart eine Besonderheit, die einem Armutszeugnis gliche.

Wenn der VfB allerdings weiterhin so bescheiden performt wie gegen den VfL Wolfsburg, der in keiner Phase der Begegnung ernsthaft ins Wanken geriet und durch den Flachschuss von Omar Marmoush sehr verdient siegte, dann geht das nicht so glücklich aus wie in der Vorsaison, als man sich in der Nachspielzeit des letzten Saisonspiels rettete. Der Freudentaumel von damals ist abgeschlossene Vergangenheit. Im Alltag herrscht Tristesse, noch lange nach der Niederlage hockten die Fans in den Straßen von Bad Cannstatt und ertränkten am ersten Frühlingsabend des Jahres ihren kollektiven Frust im Alkohol.

Zur Ironie der Geschichte gehört auch, dass just jetzt ein Ersatzmann des Tabellenletzten in den A-Kader der deutschen Nationalmannschaft berufen wurde. Josha Vagnoman wurde auch gegen Wolfsburg nur eingewechselt und blieb ziemlich unsichtbar. Trainer Labbadia sagte, der Verteidiger brauche „Spielpraxis. Die im Abstiegskampf zu erlangen, ist nicht immer so einfach. Im Abstiegskampf brauchst du Stabilität. Ich hoffe, dass er in der Nationalmannschaft so viel wie möglich Spielminuten bekommt.“ Verkehrte Welt irgendwie, die man nicht verstehen muss.

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