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Urinproben im privaten Kühlschrank

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Von: Jan Christian Müller

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Sieht sich unschuldig: Mario Vuskovic (vorne), vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes.
Sieht sich unschuldig: Mario Vuskovic (vorne), vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes. © dpa

Am zweiten Verhandlungstag im mutmaßlichen Dopingfall Mario Vuskovic hofft Verteidigung auf einen Durchbruch

Sechs Tage nach dem ersten Verhandlungstag beginnt am Donnerstag der zweite Teil des Dopingprozesses gegen Fußballprofi Mario Vuskovic. Der Abwehrspieler gilt als aktuell größtes Talent im Kader des Zweitligisten Hamburger SV. Umso härter würde es den Kroaten und seinen Arbeitgeber treffen, sollte das DFB-Sportgericht eine drohende vierjährige Sperre wegen der Verabreichung des verbotenen Blutdopingmittels Epo aussprechen. Vuskovic ist bereits seit dem 15. November, einen Tag vor seinem 21. Geburtstag, vorläufig gesperrt. „Ein unschöner Geburtstag“, ließ der Vorsitzende Sportrichter Stephan Oberholz den schüchtern wirkenden Spieler am vergangenen Freitag wissen. Vuskovic beteuert seine Unschuld.

Am zweiten Verhandlungstag, der um elf Uhr im Raum „Golden Goal“ im zweiten Stock des neuen DFB-Campus beginnt, wird es um das Analyseverfahrens gehen, das im Institut für Dopinganalytik und Sportbiochemie in Kreischa vorgenommen wurde. Die Verteidigung will gleich vierfach wissenschaftlich begründete gutachterliche Zweifel vorbringen.

Das Gericht hat wegen der Komplexität des Verfahrens von vorne herein zwei Verhandlungstage angesetzt. Keineswegs ausgeschlossen, dass das nicht reichen wird. Laut Richter Oberholz könnte der Prozess auch länger dauern, wenn „irgendwelche leisen Zweifel“ bleiben sollten.

Am ersten Verhandlungstag, den HSV-Vorstand Jonas Boldt konzentriert aus der letzten Reihe verfolgte, ging es um die Abgabe der Probe nach dem HSV-Training am Nachmittag des 16. September 2022 sowie um den weiteren Transport und die Aufbewahrung der Urinproben im heimischen Kühlschrank des Kontrolleurs Markus Jungbluth.

Der Unfallchirurg aus Bad Bramstedt verfügt über die Erfahrung von rund 900 Dopingtests und war als wichtiger Zeuge per Video in den Sitzungssaal zugeschaltet. Ziel der dreiköpfigen Verteidigung - unter anderem mit Joachim Rain aus der Kanzlei des prominentesten deutschen Sportanwalts Christoph Schickhardt - war es, Zweifel an der seriösen Abwicklung der Dopingprobe nachzuweisen. Das gelang nur mäßig.

Vermischung ausgeschlossen

Vuskovic war seinerzeit von der Nationalen Antidopingagentur Nada gemeinsam mit seinem Mitspieler Xavier Amaechi zur Testung ausgewählt worden. Für Vuskovic war es die erste Dopingprobe seines Fußballerlebens überhaupt. Zunächst schaffte er es nicht, die notwendigen 90 Milliliter in den Becher zu urinieren. Laut seiner Erinnerung habe der Becher dann unverschlossen auf einem Tisch gestanden, ehe er etwa eine Viertelstunde später in der Lage war, die Restmenge Urin abzugeben.

Kontrolleur Jungbluth dagegen ist sich sicher, dass der Becher nach der Teilprobe zugedreht und versiegelt wurde. Auch Mitspieler Amaechi war zunächst nicht in der Lage zur Abgabe der notwendigen Mindestmenge. Eine Verwechslung, Manipulation oder Vermischung der Proben der beiden Profis hält Jungbluth für ausgeschlossen. Auch hätten im Fall einer Vermischung laut des Kontrolleurs beide Proben Epo-Rückstände aufweisen müssen.

Schließlich wurde Vuskovic laut Protokoll um 15.26 Uhr aus dem Dopingkontrollraum entlassen, nachdem die Proben in zwei Fläschchen (60 Milliliter für die A-Probe, 30 für die B-Probe) umgefüllt worden waren. Amaechi folgte um 16.09 Uhr. Der Kontrolleur und seine Assistentin begaben sich mit den Proben im Koffer auf die Rückreise. Da der 16. September 2022 ein Freitag war, wurden die Fläschchen übers Wochenende in einem eigenen Fach des Kühlschranks von Kontrolleur Jungbluth deponiert und am Montag gegen elf Uhr morgens per Kurier zum Labor nach Kreischa befördert. Es hätten sich, entgegnete Jungbluth hartnäckiges Nachfragen der Verteidigung, an jenem Wochenende weder Gäste noch Einbrecher in seinem Haus aufgehalten, die die Proben manipuliert haben könnten.

Vuskovic´ Verteidiger verwiesen darauf, der Kontrolleur habe den Spieler nicht verständlich über dessen Rechte aufgeklärt. Jungbluth erwiderte, er gehe davon aus, „dass die Spieler von ihrem Verein entsprechend geschult sind“. Zudem habe auf Englisch gefragt, ob es noch irgendwelche Fragen gäbe. Das sei verneint worden.

Da Epo nur durch Injektionen verabreicht werden kann, ging es in dem Verfahren auch um Vitaminspritzen, die Vuskovic und andere HSV-Profis in unregelmäßigen Abständen erhalten. Im Fall Vuskovic allerdings nicht in den sieben relevanten Tagen vor der Abgabe der Probe.

Aufklärung vor jeder Saison

HSV-Mannschaftsarzt Götz Welsch, ebenfalls virtuell zugeschaltet, berichtete, dass 95 Prozent der Spieler zudem regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine, Basen, Aminosäuren, Zink und Omega-3-Fettsäuren zu sich nähmen. Vuskovic hatte wegen Rückenbeschwerden und einer Fußverletzung zudem noch das Schmerzmittel Iboprofen 600 eingenommen. Für einen positiven Epo-Test sind das indes allesamt irrelevante Medikamente.

Aufklärung über die Gefahren des Dopings gäbe es vor jeder Saison, so der Teamdoktor, jedoch keine Informationen, die konkret den Ablauf der Probeabgabe betreffen. Vuskovic sei ein „gesunder, mustergültiger Athlet“, zudem ein „wahnsinnig intelligenter Mensch, den interessiert, was therapeutisch gemacht wird“. Die letzten Blutbilder vom 24. Juni und 3. November 2022 seien unauffällig gewesen.

Auch Fragen nach dem Wochenende vor der Dopingprobe gaben - wenig überraschend - keine Hinweise darauf, dass Vuskovic in seiner kroatischen Heimat Split Epo verabreicht worden wäre. Den Kurzurlaub nach einem Freitagspiel von Samstag bis Montag habe er mit den drei besten Freunden vor der eigenen Haustür und in einem Club verbracht, außerdem mit der Freundin in einer 25-Quadratmeter-Wohnung und einem Mittagessen bei der Oma. Ein Sonntagsbraten.

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