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Russland-Ukraine-Konflikt: Schalke 04 muss Gazprom kündigen

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Von: Thomas Kilchenstein

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Schalke 04 muss sich von Gazprom lösen, selbst unter großen Schmerzen, aber es geht um Haltung, um Rückgrat, um Prinzipien, Anschauung und Werte. Ein Kommentar.

Was kostet Haltung, was Moral? Zehn Millionen, 100 Millionen Euro? Oder Menschenleben? Wie viele ist man bereit zu opfern, dafür dass der Ball rollt und der Betrieb ordnungsgemäß weitergeführt werden kann? Oder ein Finale in St. Petersburg, ein Turnier stattfindet?

Das sind Fragen, die sich dieser Tage, da Russlands Autokrat Wladimir Putin mit seinen Truppen den kleinen ukrainischen Nachbarn attackiert, all jene stellen, die Geschäfte mit dem russischen Staatskonzern Gazprom eingehen, deren millionenschweren Zahlungen Jahr für Jahr professionelles Sporttreiben garantieren. Gazprom, einer der größten Gaslieferanten der Welt, nimmt schon lange, viel zu lange, Einfluss auf das Sportgeschehen, nicht nur beim FC Schalke 04, der seit 2006 per annum einen Sockelbetrag von zwölf Millionen aus St. Petersburg erhält (zehn aktuell in der zweiten Liga), auch im europäischen Fußball, als Sponsor für die EM 2024.

FC Schalke 04: Verflechtungen mit Gazprom sind innig und fruchtbar

Und Gazprom antichambriert, im Schalker Aufsichtsrat reist ein Ex-Stasimitarbeiter auf dem Gazprom-Ticket, im Uefa-Exekutivkomitee sitzt der Vorstandsvorsitzende von Gazprom Neft, die Verflechtungen sind innig und fruchtbar. Es lässt sich ja so leicht und ungezwungen bei einem Fußballspiel in der VIP-Lounge über Geschäfte reden.

Schalke-Training
Eine Trainingsszene des FC Schalke 04. (Archivbild) © Tim Rehbein/RHR-Foto/Imago

Schalke, die Uefa - sie müssen sich von Gazprom lösen, selbst unter großen Schmerzen und auch, wenn es Genosse Putin wohl nicht am Einmarsch in ein souveränes Land hindert. Aber es geht um Haltung, um Rückgrat, um Prinzipien, Anschauung und Werte. Wem ist es im Land, wem auf Schalke noch zu vermitteln, wenn für einen rücksichtslosen Aggressor, einen Kriegstreiber ein freundliches Werbeumfeld bereitet wird? Das Logo im TV zur besten Sendezeit zu sehen ist? Schalke und all die anderen, die sich mit Gazprom einlassen, wissen längst, dass sie schmutziges Geld annehmen.

Die Gelsenkirchener sind seit mehr als 15 Jahren mit den Russen verbandelt. Schalke, das sich ja viel auf seine besonderen Wertekanon einbildet, hat sich ja mit der Affäre um Boss Clemens Tönnies schon einmal eine grandiose Peinlichkeit geleistet. Eine Fortführung der „Partnerschaft“ mit dem russischen Staatsunternehmen ist inakzeptabel. Und gänzlich ohne einen anderen, seriöseren Hauptsponsor würden die Knappen lange nicht bleiben, er würde möglicherweise weniger zahlen, aber moralische Fragen sollten nicht verhandelbar sein.

Ukraine-Konflikt: FC Schalke 04 weicht aus bei Fragen nach Gazprom

Natürlich ist es ein bisschen wohlfeil, mit dem Finger auf Schalke zu zeigen, die in einer ersten Reaktion ausweichend, ja wachsweich reagiert haben („Entwicklung beobachten, an Frieden appellieren“). Und natürlich ist es auch ein Stück weit heuchlerisch, wenn zur gleichen Zeit eine Weltmeisterschaft in Katar ausgerichtet wird, die vielen Bauarbeitern das Leben gekostet hat, wenn ein katarisches Staatsunternehmen in Paris einen Champions-League-Klub pampert oder in China Olympische Spiele abgehalten werden. Und natürlich werden gekappte Sponsorenverträge oder verlegte Endspielorte Putin nicht zum Einlenken bewegen.

Aber es geht um ein Zeichen, ein Signal. Bis hier hin und nicht weiter: Russland hat sich - sieh Krim-Annexion, siehe Georgien-Konflikt - schon zu viel reaktionslos herausgenommen. Es geht um das Gewissen, um das Bewusstsein von Gut und Böse. (Thomas Kilchenstein)

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