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Turnaround im Ländle

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Von: Frank Hellmann

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Der VfB Stuttgart hat den Klassenerhalt vor Augen, weil sich die sachliche Art von Sebastian Hoeneß aufs Team überträgt.

Die schwarze Kappe wollte Sebastian Hoeneß nicht lüften. Weder draußen auf dem Rasen der Mainzer Arena, als der Trainer des VfB Stuttgart vor dem feiernden Anhang kurz die Fäuste ballte. Auch nicht drinnen im Kabinengang oder auf der Pressekonferenz, wo der beinahe demütige Tonfall des Hoffnungsträgers auffiel. Tenor: Ein Schritt ist gemacht, der zweite muss erst folgen.

Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass der einst in Hoffenheim beschäftigte Hoeneß auf die vom ehemaligen VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo zum Klassenerhalt geführte TSG Hoffenheim trifft, um seine Mission zu krönen. Die Stuttgarter Vereinsführung hat in dieser Saison nicht viel richtig gemacht, aber die Verpflichtung des vierten Fußballlehrers erweist sich als Volltreffer. Der von Hoeneß am 26. Spieltag als abgeschlagenes Schlusslicht übernommene VfB steht jetzt auf Rang 15. Die sachliche Art des Trainers hat sich aufs Team übertragen.

Ältere VfB-Fans erinnern sich gerne an dessen Vater Dieter, als der in den 70er Jahren im Trikot mit dem roten Brustring stürmte. Nun könnte der Filius derjenige sein, der fast ein halbes Jahrhundert später den vierten Abstieg der Vereinsgeschichte verhindert. „Ich habe bei den Jungs in der Kabine keine übertriebene Euphorie gesehen“, betonte der 41-Jährige. Dass man es wieder in der eigenen Hand hat, ist schon viel mehr, als die meisten in der bleiernen Zeit unter Bruno Labbadia zu hoffen wagten.

Woran sich der unverstandene Feuerwehrmann vergeblich versuchte, hat sein Nachfolger mit wenigen Handgriffen geschafft: eine defensive Stabilität herzustellen, ohne die offensiven Qualitäten zu verraten. Der erst zweite Auswärtssieg war Produkt einer erstaunlichen Effizienz. Vier Tore aus sechs Chancen: Chapeau, VfB! Linksaußen Silas sprintete vor dem sehenswerten 1:1 von Kapitän Wataru Endo mit Ball schneller als sein Gegenspieler Aymen Barkok, was genauso viel über das schlummernde Potenzial verriet wie der Luftstand von Mittelstürmer Serhou Guirassy beim 2:1. Und warum bitte zündet ein Chris Führich mit seinen Anlagen nicht häufiger seinen Turbo? Drei Scorerpunkte sammelte der Frechdachs mit dem blonden Scheitel nach seiner Einwechslung. „Das ist ein sehr guter Schwung, den wir mitnehmen können“, findet der Matchwinner.

Torwart Bredlow fängt sich

Der fünffache Deutsche Meister aus dem Ländle beschäftigt mehr Unterschiedsspieler als die Konkurrenz im Revier. Der FC Schalke 04 (bei RB Leipzig) und VfL Bochum (gegen Bayer Leverkusen) können nicht mehr vorbeiziehen, wenn der VfB seine letzte Hausaufgabe siegreich erledigt. Und noch ein Plus: Viele Profis kennen die Konstellation bereits aus dem vergangenen Jahr, als am letzten Spieltag gegen den 1.FC Köln (2:1) die Gefühle explodierten. Nur soll es am Pfingstsamstag nicht wieder bis in die Nachspielzeit dauern, bis der Siegtreffer fällt. Er wünsche sich „möglichst wenig Spannung“, aber er sei kein Hellseher, beschied Hoeneß, aber ein Nachteil sei es sicherlich nicht, dass der damalige Last-Minute-Torschütze Endo und Co. diesen Druck schon gespürt und ihm standgehalten haben.

Und war nicht die ganze Saison mit ihren beim notorisch unruhigen Traditionsverein ein einziger Überlebenskampf? „Das kann ein Vorteil sein, dass wir in den letzten Monaten mit dem Rücken zur Wand standen“, merkte Sportdirektor Fabian Wohlgemuth an. Genau wie der Trainer ist auch der Manager relativ neu, aber natürlich spüren beide, welch enorme Kraft das Gebilde bündelt. Die im Umbau befindliche Spielstätte am Neckar wird noch einmal in ihren Grundfesten erschüttert.

Hilfreich, da auch wieder über einen echten Rückhalt zu verfügen. Genau zur richtigen Zeit zeigte Fabian Bredlow seine wohl beste Saisonleistung, auch wenn der zuletzt kritisierte VfB-Torhüter im Endeffekt dankbare Bälle zu halten bekam. Dennoch prasselte Lob von allen Seiten auf den unter Labbadia zur Nummer eins beförderten Schlussmann herein, der freimütig zugab, dass ihn die öffentlichen Zweifel nicht kaltgelassen haben: „Die letzten Wochen waren nicht einfach für mich. Ich wäre ein Lügner, wenn ich sagen würde, dass es spurlos an mir vorbeigeht.“ Jetzt winkt auch ihm die Versöhnung mit einer Spielzeit, die in den für den VfB Stuttgart fast typischen Wellentälern verlief. Das Happy End ist zwar nah, aber noch nicht vollbracht. Deshalb blieb ja auch die Kappe auf.

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