Türöffner im Fall Özil gesucht

Der DFB-Präsident Grindel ist einen Schritt auf Özil zugegangen. Das war längst überfällig, eigentlich schon zu spät. Ein Kommentar.
Der Deutsche Fußball-Bund ist jetzt in Person seines wankenden Präsidenten Reinhard Grindel noch mal einen Schritt auf Mesut Özil zugegangen. Das war längst überfällig, ach was, die Verspätung, mit der sich Grindel jetzt meldete, ist schon viel zu groß geworden, um den immensen Schaden von seiner Person, dem Verband und dem ganzen Land noch umfassend abzuwenden.
Wir wissen nicht, ob es beim DFB Leute gibt, die sich eventuell die Mühe geben könnten, mit Özil und seinem Berater Erkut Sögüt persönlichen Kontakt aufzunehmen. Die letzte Information, die zu diesem Thema aus der DFB-Zentrale drang, war der misslungene Versuch von Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff, den Spieler auf dem Handy zu erreichen. Bierhoff musste stattdessen eine WhatsApp schicken. Wir wissen auch nicht, ob Sögüt und Özil bereit zum Gespräch gewesen sind und künftig noch sein werden. Und vor allem ist unbekannt, ob Joachim Löw in dieser Sache tätig geworden ist. Vor der inzwischen auf Twitter, Instagram und Facebook millionenfach gelikten und geteilten Trilogie zur Erklärung für Özils Rücktritt kann jedenfalls keine erfolgreiche Unterredung des Bundestrainers mit der Spielerseite stattgefunden haben, andernfalls wäre die Eskalation ja vermieden worden.
Im Fall Löw ist das deshalb besonders bedauerlich, weil er erstens der wohl einzig verbliebene Verbandsmann ist, dem Özil noch Respekt entgegenbringen dürfte, und weil Löw zweitens mit seinem türkischen Agenten Harun Arslan unmittelbaren Zugriff auf dessen Mitarbeiter, den Özil-Agenten Sögüt, hat. Man fragt sich ohnehin: Ist ein solcher Lösungsversuch gar nicht angegangen worden? Diese Frage bleibt bislang unbeantwortet. Und es mutet in der Tat verwunderlich an, dass weder Löw noch Arslan von der zu weltweiter Beachtung gelangten dreifachen Gegenattacke nichts gewusst haben wollen.
Wenn der auch dank der Ausbildung durch seine Trainer in Deutschland, die Bundesliga und das DFB-Team zu Weltruhm und zum Multimillionär gelangte Özil und sein Manager nun bereit sein sollten, nicht nur für sich zu denken, sondern auch Verantwortung für das Geburtsland des Profis zu zeigen, würden sie ihre Wut bändigen und den Mut aufbringen, sich mit einem vierten Post zu erklären. Und darin auch darauf hinzuweisen, dass in Deutschland zwar leider eine braune Brühe aufkocht, es aber in der Mehrheit Menschen gibt, die Fremdenfeindlichkeit nicht nur verurteilen, sondern aktiv dagegen angehen, leiser allerdings, weil sie dabei nicht pöbeln wie die anderen.
Mit der Art und Weise seiner Abschiedserklärung hat Özil offenbar nicht nur in der Türkei bei vielen Menschen einen Nerv getroffen, sondern leider auch bei den viel zu vielen Leuten hierzulande, die sich in ihrem abschätzigen Türkenbild nur bestätigt fühlen und ihre Abneigung nun umso unbarmherziger formulieren. Der Spieler hat in seinem elektronischen Abschiedsbrief die Tür nicht völlig zugeschlagen. Wenn es Löw gelänge, sie wieder einen Spalt breit zu öffnen, wäre das eine große Leistung des Bundestrainers, dessen beharrliches Schweigen inzwischen unerträglich laut geworden ist.