Trutzburg an der Weser

SV Werder Bremen Die Grün-Weißen bleiben vorsichtig - und machen alle Schotten dicht
Es hat schon gute Tradition in Bremen, in heiklen Phasen eine Wagenburg zu errichten, aus der wenig bis gar nichts nach draußen dringt. Urheber dieser Abwehrhaltung ist ein gewisser Otto Rehhagel, der weniger die Öffentlichkeit als deren Überbringer, konkret die Medien, im ewigen Verdacht führte, der grün-weißen Gemeinschaft nur alles Schlechte zu wünschen. Sein ehrenwerter Nachfolger, der unter Rehhagel die rechte Seite auf und ab flitzende und bisweilen auch gut flankende Thomas Schaaf hat einige dieser Mechanismen übernommen, wenn auch nicht alle. Zur Not hieß es auch bei der zweiten Trainer-Legende von der Weser: Schotten dicht.
Nun ist es bei den Norddeutschen im irren Aufstiegsfinale ihrer erst zweiten Zweitligasaison wieder ähnlich: Ole Werner, den viele schon als dritte Langzeitlösung auf der Trainerbank unter Verdacht haben, übt ausschließlich diese Woche hinter verschlossenen Türen; Pressegespräche sind den Spielern untersagt. Clemens Fritz, der immer noch so aussieht, als könnte er jederzeit wieder mitspielen, hatte die Aufgabe, den hohen Grad der Geheimhaltung vor dem letzten Heimspiel gegen Jahn Regensburg (Sonntag 15.30 Uhr) zu erklären.
„Es gilt, bei sich zu bleiben. Zu denken, dass nur noch ein Punkt reicht, das ist genau die Gefahr“, sagte der Leiter Profifußball. Werder reicht tatsächlich ein Remis gegen einen im grauen Zweitliga-Mittelmaß gefangenen Gast, um nach dem FC Schalke 04 als zweiter Absteiger sofort wieder aufzusteigen. Für den Ehrenspielführer fühlt sich diese vordergründig prima Ausgangslage hintergründig tückisch an: „Ich weiß gar nicht, wie das funktionieren soll, auf Unentschieden zu spielen.“
Es gilt zudem als ganz schlechtes Omen, dass Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte vor dem Heimspiel gegen Holstein Kiel von einer Feier auf dem Rathausbalkon schwadronierte – eine ganze Stadt fiel nach einer 2:3-Pleite trotz 2:0-Führung vor knapp zwei Wochen in kollektive Schockstarre. Deshalb wird jetzt alle Ablenkung ausgeblendet, auch die vielen ungeklärten Vertragsfragen bei Stützen wie Torhüter Jiri Pavlenka oder Verteidiger Marco Friedl, die sowieso nur beim Aufstieg zu halten wären.
Toprak ist wieder verletzt
Fritz verkörperte also am Dienstag den Fokus aufs Wesentliche, wie er erklärte. Was die im Weserstadion abgehaltenen Trainingseinheiten angehe, habe das gar nicht nichts mit Abschotten zu tun: „Wir haben auch aktuelle Probleme mit unseren Trainingsplätzen, die in den letzten Wochen und Monaten gelitten haben.“ Niemand soll sich mehr auf einem Trainingsacker verletzen, wo doch bis auf den an der Wade dauermaladen Abwehrchef Ömer Toprak endlich alle Stützen fit geworden sind. Die Bremer haben sich vergangenen Sonntag zu einem Arbeitssieg in Aue (3:0) gequält, wobei das Resultat verschwieg, wie schwer sich der Bundesliga-Anwärter tat. Vom erstligareifen Kombinationsfluss geschweige Tempo war im Erzgebirge mal gar nichts zu sehen, aber vielleicht war es wirklich die Blockade in den Köpfen, die die Beine gelähmt hat.
Damit sich das nicht wiederholt, soll Yasin Seiwasser helfen. Ein Fachmann, der schon einigen Leistungssportlern wie Ringer-Ikone Frank Stäbler mittels Atemtechniken geholfen hat. Das Angebot, bestätigte Fritz, sei freiwillig, aber er habe es selbst schon ausprobiert – und gute Erfahrungen gemacht.
Der 41-Jährige kennt sich mit Entscheidungsspielen am Osterdeich aus, bei denen alle Augenzeugen tief Luftholen müssen. Die viel zitierten Wunder von der Weser aus den Rehhagel- und Schaaf-Zeiten hat er zwar nicht mitgemacht, wohl aber den Abstiegskrimi im Mai 2016 am letzten Spieltag gegen Eintracht Frankfurt. Werder ersparte sich damals mit einem Stochertor des senegalesischen Leihspielers Papy Djilobodji kurz vor Schluss die Relegation – Zeitzeuge Fritz erinnerte sich vor allem an den Platzsturm nach Spielschluss. „Das lief human und glimpflich ab“, sagte er.
Ob im Falle des Aufstiegs diesmal die Tore zum Innenraum geöffnet werden, damit die Menschen unversehrt den Rasen fluten können, darüber habe man intern noch gar nicht gesprochen. Sie haben offensichtlich wirklich Scheuklappen auf, die Protagonisten beim SV Werder Bremen.