Trapp und Courtois: Leistung aus Frust

Der Frankfurter Torwart und der Keeper von Real Madrid haben in den Finalspielen Stärke wohl auch daraus gezogen, dass sie sich nicht wertgeschätzt fühlten. Ein Kommentar.
Es gibt ja im Fußball diesen Denkansatz, wonach der Erfolg des Augenblicks auch immer etwas zu tun gehabt haben muss mit einem Misserfolg in der Vergangenheit. Viele holen sich also eine Extraportion Motivation aus dem Scheitern der Vorsaison, irgendetwas war nicht vollendet, musste zu Ende geführt werden. Auch Eintracht Frankfurt bezog viel seiner Stärke beim Überraschungscoup in der Europa League daraus, vor Jahren im Halbfinale kurz vor dem Ziel die Tür zugeworfen bekommen zu haben.
Nun hagelt es Auszeichnungen: Filip Kostic ist zum besten Spieler in der Europa League gekürt worden, Jesper Lindström zum Rookie des Jahres, nun hat der „Kicker“ Kevin Trapp geadelt und ihn sogar noch vor Deutschlands Lieblingstorwart Manuel Neuer auf dem ersten Platz in der Kategorie „Internationale Klasse“ verortet: Trapp besser als Neuer - das ist eine Schlagzeile, die dem Frankfurter Schlussmann runtergehen dürfte wie Öl.
Und man erinnert sich dunkel: Die Leistungsexplosion des Ballfängers begann just, nachdem ihn Bundestrainer Hansi Flick im vergangenen Jahr aus dem Kader der Nationalmannschaft gestrichen hatte. Besteht da etwa auch ein Zusammenhang? Angestachelter Ehrgeiz? Wut über eine als ungerecht verstandene Entscheidung? Ohne den Sensationsreflex von Trapp kurz vor Ende der Nachspielzeit hätten die Hessen nicht im Elfmeterschießen den Pott in den Stadtwald geholt.
Und schon ist man beim „heiligen Courtois“. So hat die internationale Presse dem Torwart des neuen Champions League-Siegers Real Madrid gehuldigt, vollkommen zu Recht. Thibaut Courtois, der 30 Jahre alte Belgier, hat dieses Endspiel geprägt wie lange kein Torwart mehr, zuletzt vielleicht Jens Lehmann, der aber im negativen Sinn, als er nach einer Notbremse, damals noch für den FC Arsenal unterwegs, früh des Feldes verwiesen wurde, prompt unterlag sein Klub. Courtois aber hat den Königlichen dieses Finale allein gewonnen, ganz allein. Neun klassische Paraden, darunter mindestens drei auf Weltklasseniveau, hat er gezeigt, so viele wie noch kein Torwart, seitdem derartige statistische Werte erfasst werden, seit 2003 also. Ohne den Zweimetermann, noch dazu gut am Ball und eine Bierruhe ausstrahlend, hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit der FC Liverpool den Henkelpott gewonnen. Jürgen Klopp, der Coach des LFC, hat es drastisch auf einen Nenner gebracht: Wenn der Torwart des Gegners „Man of the Match“ ist, dann „weißt du, dass irgendwas scheiße gelaufen ist“.
Und auch Courtois hat seine spezielle Motivation aus einer persönlichen Enttäuschung heraus gezogen. In England, sagte er, dort spielte er sieben Jahre beim FC Chelsea, vermisste er eine angemessene Wertschätzung. Ein Fachmagazin habe ihn im März nicht in der Liste der besten Torhüter aufgeführt. „Ich sage nicht, dass ich die Nummer eins bin, aber in die Top Ten hätte ich nach so einer Saison schon gehört.“ Das hat er jetzt gerade gerückt.
Courtois und Trapp - zwei Brüder im Geist, zwei Torleute, die zwei Fußballspiele entschieden. Und irgendwie offene Rechnungen beglichen.