Trainer Florian Kohfeldt beim VfL Wolfsburg: Der Wagenheber

Trainer Florian Kohfeldt soll dem VfL Wolfsburg mit seiner kommunikativen Art schnell helfen.
Es dürfte Konsens in der Fußball-Bundesliga sein, dass Pressekonferenzen für die meisten Trainer nur ein notwendiges Übel sind. Florian Kohfeldt gehört zu den wenigen Protagonisten, die aus solchen Veranstaltungen mit lässiger Attitüde mehr machen können. Bei seiner knapp halbstündigen Vorstellung beim VfL Wolfsburg versprühte der 39-Jährige einiges an Tatendrang, ersparte sich aber jeden Überschwang. Es wird vor allem Arbeit und Überzeugung brauchen, um den Champions-League-Teilnehmer nach dem Irrtum mit Mark van Bommel und acht ernüchternden Pflichtspielen ohne Sieg wieder in die Spur zu bringen. „Die Mannschaft ist intakt, sie braucht nur wieder eine Orientierung, wie das Spiel aufgezogen werden soll“, sagte Kohfeldt.
Reden hat er daher als die allerwichtigste Aufgabe zum Amtsantritt ausgemacht. Denn eines steht für ihn fest: „Ich muss mir keine Sorge ums Innenleben machen.“ Sondern die Spieler bräuchten wieder mehr Vorgaben von außen, die zur DNA dieses Kaders passen, den der heutige Frankfurter Trainer Oliver Glasner fast schon souverän in die Königsklasse führte – trotz seines Nicht-Verhältnisses zum Geschäftsführer Jörg Schmadtke. Bei Kohfeldts Präsentation saß Sportdirektor Marcel Schäfer auf dem Podium, der mit verschmitztem Grinsen von der ersten Kontaktaufnahme berichtete – denn beim ersten Anruf weilte der Wunschtrainer noch auf der Kanareninsel Fuerteventura im Urlaub.
Beim SV Werder war er für viele noch der U16-Coach
Nach dem Rückflug fanden beide Seiten in einem stundenlangen Gespräch zu vorgerückter Stunde große Übereinstimmungen vor und sind von der zunächst bis 2023 fixierten Zusammenarbeit überzeugt. Kohfeldt erklärte zudem, dass ihn fast 20 Jahre beim SV Werder in den Rollen als Aktiver, Jugend- bis hin zum Cheftrainer bekanntermaßen geprägt hätten. „Das ist keine alltägliche Situation. Ich kannte im Verein jeden persönlich.“ Doch genau darin sieht er in Wolfsburg eine Chance;: unbeleckt als Cheftrainer anzufangen, „und nicht als Florian, den alle noch als U16-Coach kennen“. Einen eigenen Assistenten bringt Kohfeldt nicht mit, was in der Branche mittlerweile völlig atypisch ist.
Die Messlatte legte der Hoffnungsträger für die ersten Aufgaben in der Bundesliga bei Bayer Leverkusen (Samstag 15.30 Uhr) und dann in der Champions League gegen Red Bull Salzburg (Dienstag 18.45 Uhr) hoch. Zuerst gehe es darum, im Werksduell am Leverkusener Autobahnkreuz einen „mutigen Auftritt“ zu zeigen. National wolle man bis zum Winter den Anschluss an die Plätze verkürzen, „die richtig Spaß machen“; international wolle man auf jeden Fall überwintern. Damit das gelingt, will er zuerst die „unglaubliche Dynamik und Intensität gegen den Ball“ wiederbeleben, die nach seinem Dafürhalten das Team unter Glasner als auch Bruno Labbadia ausgezeichnet hätten. Wenn er dann seine offensive Philosophie irgendwann obendrauf packen können, nämlich schnell nach vorne zu spielen, könne alles wieder gut werden.
Florian Kohfeldt hat die Zeit in Bremen intensiv reflektiert
Er wisse noch aus seinen dreieinhalb Jahren als Werder-Trainer, dass es „immer eine Herausforderung, immer Stress“ gewesen sei, gegen die „extrem physischen“ Niedersachsen zu spielen. Schäfer freut sich auf „einen kommunikativ starken“ Trainer, „der unsere Potenziale freilegen kann.“ Kohfeldt soll also eine Art Wagenheber in der Autostadt spielen. Und wenn der Karren erst mal wieder läuft, darf der neue Hoffnungsträger gerne Vollgasfußball anbieten. Auch den VW-Klub plagt das Problem, dass die Fans nicht wie selbstverständlich zurückkommen.
Kohfeldt sprach noch einmal offen über sein unrühmliches Ende in Bremen; über die beispiellose Niederlagenserie, die ihm vor dem letzten Spieltag der Abstiegssaison die Entlassung einbrachte. Lange, lange habe er daran geknabbert und „intensiv reflektiert“ –in Gesprächen mit den Werder-Funktionären Marco Bode oder Frank Baumann oder auch Akteuren, „die mich nicht so mochten“. Erst seit Anfang Oktober habe er sich vom Kopf so frei gefühlt, eine neue Herausforderung anzunehmen. Wenn er eines am Mittellandkanal anders machen möchte als am Osterdeich, dann seine Impulsivität am Spielfeldrande zu drosseln. „Ein Tick mehr Ruhe tut mir gut, aber meine innere Emotionalität bleibt hoch.“ Alles andere wäre bei ihm auch nicht authentisch.