Thomas Müller, die Teilzeitkraft

Der Ur-Münchner Müller sitzt derzeit regelmäßig auf der Bayern-Bank, angeblich macht ihm das gar nicht mal so viel aus.
Der letzte Moment des Spiels in Bremen gehörte Thomas Müller. Und er hatte Symbolcharakter: Nach einem gewonnenen Zweikampf in der eigenen Hälfte – Bremen drückte in der Schlussphase auf den Ausgleich – erreichte der Offensivspieler mit seinen drahtigen Beinen den Ball und spitzelte ihn im Ausfallschritt weit zurück in Richtung gegnerisches Tor. Nachdem der Abpfiff unmittelbar nach dieser Aktion erfolgt war, die Bayern dank der Tore von Serge Gnabry (62.) und Leroy Sané (72.) mit 2:1 gewonnen hatte, reckte er die Faust hoch und schrie seine Freude hinaus. „Wenn man in unsere Augen schaut, weiß man, was dieser Sieg für uns bedeutet“, schrieb der Bayern-Profi auf Instagram unter besagtes Schlussbild.
Die Partie bei Werder verdeutlichte die Situation des mittlerweile 33-Jährigen im Fußball-Frühjahr 2023. Müller ist beim FC Bayern zwar noch dabei – aber nicht mehr mittendrin. In Bremen musste er den zweiten Bundesliga-Bankplatz in Folge hinnehmen, wurde erst nach einer guten Stunde eingewechselt.
Radio Müller sendet nicht
„Müller spielt nicht gegen Manchester, weil er vielleicht zu langsam ist. Müller spielt nicht gegen den Tabellenletzten Hertha BSC, weil es irgendwie nicht passte. Dann spielt er heute nicht gegen eine Mannschaft, die gesichert im Mittelfeld sieben Punkte Abstand von einem Abstiegsplatz entfernt ist. Wo darf er dann noch überhaupt spielen?“, fragte sich daher Sky-Experte Lothar Matthäus vor Anpfiff in Bremen.
Eine Frage, die man neben Trainer Thomas Tuchel auch gerne dem Spieler gestellt hätte, doch Radio Müller hat aktuell Sendepause – sowohl auf als auch neben dem Platz. Im Weserstadion schlich sich der Ur-Bayer unbemerkt aus der Kabine in den Mannschaftsbus. Verübeln kann man ihm es nicht. Aber wie lange bleibt Müller ruhig?
Hasan Salihamidzic glaubt, dass kein Grund zur Sorge besteht. Müller gefrustet? „Null Komma null“, wie der Sportvorstand den täglichen Gesprächen mit dem Spieler entnommen haben will. Müller sei ein Vollprofi und wisse, „wie wichtig er auf dem Weg zur Meisterschaft ist. Er hat sich gefreut und alles reingehauen, als er reingekommen ist. Ich bin froh, dass er da ist“, versicherte Salihamidzic.
Und Tuchel? Der muss Woche für Woche seine Trainer-Entscheidung erklären – nicht nur gegenüber dem Routinier Müller, sondern auch vor zahlreichen Kameras und TV-Mikrofonen. Denn natürlich fragen die Medien nach Müller. „Ich habe auch Verständnis für die Frage“, gestand Tuchel auf der Pressekonferenz nach der Partie und berichtete, Müllers Verhalten sei „top-professionell. Wie er trainiert, welchen Einfluss er in der Mannschaft hat, das ist einfach top“. Im nächsten Satz schaltete der Trainer jedoch in den Klartextmodus und erklärte, dass es harte Entscheidungen geben müsse: „Die muss es gegen drei, vier, fünf Spieler geben, sonst werden wir unsere Ziele nicht erreichen.“
So lange die Meisterschaft nicht unter Dach und Fach ist, wird Müller sein Ego hinten anstellen. Doch was wird nächste Saison, sollte der Status des Raumdeuters unter Tuchel weiter bröckeln? Ob er das Karriereende der Vereinsikone einläute, wurde Tuchel gefragt. Da blickte der Trainer irritiert und befand, die Fragestellung sei unangemessen. Wenn es nach Müller ginge, wäre er gerne wieder das Maß der Dinge.