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Stefan Bell: „Einer wie ich ist selten“

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Von: Hanna Raif

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In Mainz zu Hause: Stefan Bell.
In Mainz zu Hause: Stefan Bell. © IMAGO/Team 2

Innenverteidiger Stefan Bell über seinen Dino-Status beim FSV Mainz 05, das Geheimnis der Mainzer Trainerschule und die Chancen im Pokalduell gegen einen angeschlagenen FC Bayern

Herr Bell, vor dem 5:2 gegen Bochum gab es einen Siegbefehl von Martin Schmitt. Wirkt sowas?

Über den Siegbefehl vom Martin hatte ich erst nach dem Spiel gelesen (lacht), aber uns war auch bewusst, dass wir langsam mal wieder gewinnen müssen. Doppelt wichtig sind Siege gegen Gegner, die hinter uns stehen. Das ist jetzt eine Phase, in der sich entscheiden kann, in welche Richtung diese Saison sich entwickelt.

Mainz wirkt immer wie ein ruhiger, solider Standort. Wie ist es denn, wenn mal Unruhe ausbricht?

Wir sind ja schon sehr lang in der Bundesliga – da gibt es irgendwann die Tendenz, dass die Leute mehr wollen und die Ansprüche wachsen. Das ist schon eine Gefahr, weil wir trotz unserer langen Liga-Zugehörigkeit vom Finanziellen her einer der kleinsten Vereine sind. Ein Mittelfeld-Platz ist gar nicht so langweilig für uns, sondern eine große Leistung. Und wenn wir mal unten stehen, bricht selten Unruhe aus. Da kommt uns der Standort entgegen.

Anders als in München.

Ich war ja mal ein Jahr lang in München bei den Löwen. Da gab es vier, fünf Boulevard-Zeitungen. Vorsichtig gesagt: Das ist eine andere Basis.

Kommen die Bayern nach der Wende gerade recht?

Es war zumindest ergebnistechnisch eine kleine Wende, nach sechs Spielen ohne Sieg. Die Leistung war schon in den Partien davor stabil, wir waren phasenweise mit Dortmund und Frankfurt mindestens auf Augenhöhe. Die Bayern haben im Moment auch eine Ergebniskrise – aber das sind leider meistens die Momente, in denen sie am gefährlichsten sind.

Gegen Dortmund und Bochum hat Mainz nach ein beziehungsweise zwei Minuten zugeschlagen. Eine Warnung?

Das kann man so sehen (lacht). Aber wir haben es gegen Bayern auch schon später geschafft, in Führung zu gehen. Wir wollen ihnen das Gefühl vermitteln, dass es ein anstrengender und schwieriger Abend wird. Sie dürfen sich nicht in den Flow spielen – sonst wird es schwer.

Was ist der Pokal für Mainz? Richtig weit ist es noch nie gegangen …

Wir haben es einmal ins Halbfinale geschafft, waren ansonsten aber meist eher früh raus – vielleicht klappt es ja dieses Mal!

Für Sie selbst ist es der 13. Anlauf. Schauen Sie auf Zahlen und Statistiken?

Mal so, mal so. Es gibt Statistiken, die eine gewisse Aussagekraft haben, aber auch Zahlen, die einfach unnötig sind. Und dann auch oft falsch interpretiert werden.

Wie viel Aussagekraft haben die nur noch 15 Spiele, die sie brauchen, um Nikol?e Noveski als Mainzer Rekordspieler abzulösen?

Wenn ich das wirklich schaffen sollte, wäre ich sehr stolz. Das ist schon eine große Sache für mich! Ich habe mit Nikolce ja noch zusammengespielt, der war ewig da. Und ich glaube, dass es solche Zahlen in Zukunft weniger geben wird, weil die Vereine die Geduld mit Spielern verlieren, die Spieler auch selber mehr wechseln. Einer wie ich – der alle Bundesliga-Spiele für einen Verein macht – ist inzwischen selten.

Ist Vereinstreue im modernen Fußball aus der Mode?

Die Tendenz sehe ich auch. Dabei ist es für kleinere Vereine, die wie Mainz viel auf Nachwuchs, auf Jugend setzen, die einen intensiven spielerischen Ansatz haben, doch hilfreich, Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu haben. Das hilft, um glaubwürdig zu bleiben, und es hilft auch den Fans, sich mit dem Verein zu identifizieren. Wenn die Fluktuation zu groß wird, ist es schwer, sich reinzufühlen.

Sie hätten auch zu Inter Mailand wechselt gehen können. Wenn Inter anklopft, zu den Löwen zu gehen – das ist schon ein Statement …

Stimmt. Aber ich war damals der Überzeugung, dass es der falsche Schritt gewesen wäre. Als ganz junger Spund, ohne ein Wort italienisch, mich nicht allzu gutem Englisch. Das Gesamtpaket in Mainz unter Thomas Tuchel hat mir da deutlich mehr zugesagt. Die Anfrage von den Löwen, von Alexander Schmidt kam dann später. Das war eine einmalige Gelegenheit: nach der Jugend direkt Stammspieler in der Zweiten Liga zu sein – das musste ich machen. Dafür bin ich immer noch dankbar. Diese ein, zwei Jahre nach der Jugend sind die wichtigsten für die Karriere.

Damals waren Ihre Vorbilder Svensson, Hummels und Dante – und jetzt?

Eine geniale Mischung – ich habe wohl schon vorgesorgt, falls Bo mal mein Trainer wird (lacht). Er hatte einfach immer ein gutes Aufbauspiel, da habe ich mir viel angeschaut. Vorbilder sind denke ich eher was für junge Spieler. Jetzt spiele ich lieber meinen eigenen Stil.

Sie haben in Mainz acht Trainer erlebt, lange auch Thomas Tuchel. Als Experte: Ist er irgendwann einer für Bayern?

(überlegt) Er hat gezeigt, dass er bei allen Stationen sportlichen Erfolg hatte. Er kann jede Top-Mannschaft der Welt trainieren – also auch Bayern. Grundsätzlich wäre er dafür gut genug, da mache ich mir keine Sorgen. Ob es so kommt oder nicht, kann ich natürlich nicht sagen. Dass er einen eigenen Ansatz hat, eine brutale Fähigkeit der taktischen Analyse während des Spiels, hat man schon gesehen, als er hier in der Jugend trainiert hat. Was da während eines Spiels an Kleinigkeiten umgestellt wurde, war außergewöhnlich.

Warum ist die Mainzer Trainerschule so gut? Jürgen Klopp wäre da ein weiteres Beispiel.

Es ist auffällig, das stimmt. Und ich denke, dass wir auch da von unserem guten Nachwuchsleistungszentrum profitieren. Da werden gute Leute gescoutet und verpflichtet, auch auf der Trainer-Position. Und wir haben Entscheider, die den Mut haben, die Trainer zu befördern. Junge Trainer spüren hier die nötige Rückendeckung, auch wenn eine erste Krise kommt. Man hat mehr Geduld als an anderen Standorten.

Werden Sie sie auch nach dem Karriereende durchlaufen?

Eine gute Frage – auf die ich noch keine Antwort habe. Nach dem Karriereende möchte ich erstmal raus aus dem Geschäft. Dann schaue ich: Fehlt mir was? Und wenn ja, was fehlt mir am meisten? Worauf habe ich Lust?

Interview: Hanna Raif

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