Plan der Regierung: Staatliche Aufsicht für die Premier League?
Die britische Regierung will dem englischen Profifußball eine staatliche Aufsichtsbehörde vor die Nase setzen - was den Fans gefällt, stört manch Klubeigentümer.
London - In der Zentrale der Premier League im Londoner Stadtteil Paddington ist man mäßig beigeistert über die Initiative der britischen Regierung. Die hat nämlich dieser Tage angekündigt, dem englischen Profifußball eine staatliche Aufsichtsbehörde vor die Nase zu setzen. Angesichts von Verbindlichkeiten der beiden höchsten englischen Spielklassen von zusammen 5,9 Milliarden Pfund (umgerechnet 6,4 Milliarden Euro) seien Maßnahmen dringend notwendig.
Es dauerte nicht lange, bis sich die Premier League dazu äußerte. Man werde darauf achten, dass die geplanten Regularien, „nicht zu unerwünschten Konsequenzen führen, welche die Position der Premier League als weltweit führende Liga beeinflussen und somit die Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigen“.
Premier League ein weltweit beachteter Markenartikel
Der Politik auf der Insel geht es vor allem darum, Exzesse künftig durch stärkere Kontrolle der Finanzen einzudämmen. In weltweit keine andere Fußballliga wird auch nur annähernd so viel Kapital gepumpt wie in die 1992 gegründete Premier League, die seitdem eine beispiellose Erfolgsgeschichte schreibt und zu einem weltweit beachteten Markenartikel geworden ist.

Doch mit ihrer anscheinend grenzenlosen Gier haben sich die ohnehin Superreichen unter eine Art Generalverdacht gestellt. Aufgeschreckt worden war Ex-Premierminister Boris Johnson erstmals vor knapp drei Jahren, als der FC Arsenal, Manchester United, FC Liverpool, Tottenham Hotspur, FC Chelsea und Manchester City zu jenen europäischen Topklubs gehörten, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine eigene Superleague gründen wollten. „Das sind keine guten Nachrichten für Fans und auch keine guten Nachrichten für den Fußball in diesem Land“, unkte Johnson im April 2019.
Seitdem werkelt das Ministerium für Kultur, Medien und Sport an einer Institution, die zumindest die brachialsten Auswüchse der ungezügelten Kommerzialisierung einzudämmen gedenkt. Und die außerdem Acht darauf geben soll, dass in den vier Ligen unterhalb der Premier League solide gewirtschaftet wird. Dort waren zuletzt einige Klubs in extreme Schieflage geraten, darunter Wayne Rooneys zuvor mit Investorengeldern aufgepamperter Heimatverein Derby County.
Premier League: Politik will Lizenzierungsverfahren einführen
Man wolle „verhindern, dass skrupellose Eigentümer Klubs als Gebrauchsgegenstände behandeln und nicht als geliebtes Gemeinschaftsgut, das sie sind“, erklärte Sportministerin Lucy Frazer streng. Premierminister Rishi Sunak ergänzte mit dem gebotenen Pathos: „Diese neuen Pläne werden die Fans zurück ins Herz des Fußballs führen und dafür sorgen, dass das reiche Erbe und die Traditionen unserer geliebten Klubs gewahrt bleiben, um das wunderschöne Spiel auch für kommende Generation zu bewahren.“
Konkret will die britische Politik künftig:
– ein Lizenzierungsverfahren einführen
– Klubs die Teilnahme an neuen Wettbewerben wie die Superleague verbieten, die den nationalen Fußball schädigen
– potenzielle Eigentümer überprüfen, ehe diese einen Klub aufkaufen wollen
– verhindern, dass Eigentümer die Farben oder Logos der Klubs verändern
– Umsiedelungen von Klubs und den Verkauf von Stadien kontrollieren
– Fans größere Mitspracherechte gewähren.
Die Fanorganisation Football Supporters Association (FSA) bejubelte das „historische Engagement der Regierung, eine unabhängige Regulationsbehörde für den englischen Fußball“ einzurichten. Die Fans fühlen sich gehört. Das sei genau das, so die FSA, was sie „ in Bezug auf Eigentümerschaft, Schurkenwettbewerbe und Nachhaltigkeit“ eingefordert hätte.
Die für die zweite Liga zuständige EFL reagierte ebenfalls positiv und konstatierte, dass es dem Profifußball über die vergangenen 30 Jahre hinweg nicht gelungen sei, die systemischen Fehler in den Griff zu bekommen. Es sei ein „fundamentaler finanzieller Reset notwendig, um den Fußball stabiler aufzustellen und zukunftsfähig zu gestalten“. Der englische Fußballverband FA zeigte sich ebenfalls voll des Lobes: Die Pläne seien sinnvoll, um dafür zu sorgen, dass der englische Fußball sich langfristig bester Gesundheit erfreuen könne.
Premier League: In Deutschland beobachtet man die Entwicklung
Auch in Deutschland hat man die Entwicklung beobachtet. Ist eine solche Aufsichtsbehörde mit weitreichenden Kompetenzen auch hierzulande notwendig? „Nein“, sagen der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball-Liga (DFL). Der DFB äußerte auf Anfrage der Frankfurter Rundschau: „Maßnahmen, die dem Erhalt der Chancengleichheit im europäischen Vereinsfußball dienen, sind generell zu begrüßen. Die Notwendigkeit einer Aufsichtsbehörde für den Fußball sieht der DFB in Deutschland nicht gegeben. Ein seit Jahrzehnten etabliertes Lizenzierungssystem für den Profifußball in Kombination mit der in Deutschland geltenden 50+1-Regel haben sich als Regulative bewährt.“
Bei der DFL sieht man das genauso. Zumal in Deutschland das Bundeskartellamt über den Profifußball wacht, der durch die zentrale Vermarktung ihrer Medienrechte eine Monopolstellung einnimmt. Die gestrenge Behörde hat den deutschen Ligamanagern schon so manche schlaflose Nacht bereitet, weil sie sowohl die milliarden-schwere Vergabe der TV-Übertragungen streng überwacht und dabei darauf achtet, dass faire Konkurrenz unter den Fernsehsendern und Streamingdiensten herrscht. Und weil das Kartellamt Druck macht, dass die DFL endlich für mehr Gerechtigkeit im Zusammenhang mit der 50+1-Regel sorgt. Denn in der Bundesliga dürfen gleich vier Klubs (Wolfsburg mit VW, Leverkusen mit Bayer, Hoffenheim mit Hopp und Leipzig mit Red Bull) die Regel zur Abwehr ungezügelter Investorengelder umgehen. (Jan Christian Müller)