„Schwarze Adler“ beim DFB: Afrodeutsche berichten über Rassismus in der Nationalmannschaft

Es sind Bilder, die unter die Haut gehen: afrodeutsche Profifußballer:innen berichten über ihre Zeit bei der deutschen Nationalmannschaft. Bis heute kommt es zu Anfeindungen.
Frankfurt - „Wir schämen uns für alle, die gegen uns schreien“. Ein Satz, der in der Fanszene von Eintracht Frankfurt immer noch sehr bekannt ist. Sogar eine Hauswand in Frankfurt ziert dieses Zitat, dazu ein Bild von Anthony Yeboah, der zu den Fußball-Legenden der Stadt zählt. Als der Satz erstmals veröffentlicht wurde, war es ein Hilferuf dreier Fußballprofis, die in Deutschland eine Menge Anfeindungen einstecken mussten. Anthony Baffoe, Anthony Yeboah und Souleymane Sané wollten damit gegen den offenen Rassismus in den deutschen Stadien kämpfen, mit dem sie Woche für Woche konfrontiert wurden – aufgrund ihrer Hautfarbe.
Die Welt hat sich seitdem verändert, der Rassismus ist jedoch geblieben. Das Trikot der deutschen Nationalmannschaft wurde nur selten auf dunkler Haut getragen, 14 afrodeutsche Fußballer und Fußballerinnen erzählen nun, wie es sich anfühlte, für Deutschland voller Stolz das Nationaltrikot zu tragen - und doch nicht richtig dazu zu gehören. „Schwarze Adler“ heißt die Doku von Torsten Körner, die seit Donnerstag (15.04.2021) bei Amazon Prime zu sehen ist, im Juni dann auch im ZDF ausgestrahlt werden soll.
„Schwarze Adler“: Doku, die Rassismus in deutschen Fußballstadien zeigt – bis heute
Viele Sätze, die während der etwas mehr als 1,5-stündigen Doku fallen, lassen einen teilweise bestürzt, aber auch nachdenklich zurück. Da ist Erwin Kostedde, der als erster dunkelhäutiger Spieler im DFB-Dress auflief, aber auch die ehemalige Bundesliga-Spielerin Shary Reeves, die am Ende der Doku auf Amazon Prime mit den Tränen kämpft. Ein gefeierter Gerald Asamoah, der erst in Deutschland lernte, was Rassismus überhaupt bedeutet oder ein Jimmy Hartwig, der im tiefsten hessisch von seinen Erfahrungen mit Rassismus berichtet. Nicht zuletzt Jordan Torunarigha, der im Februar 2020 auf Schalke von den Fans mit Affenlauten bedacht wurde.
Name | Schwarze Adler |
Laufzeit | 1 Std. 41 Mins. |
Regie | Torsten Körner |
Mitwirkende | Gerald Asamoah, Otto Addo, Anthony Baffoe, Cacau, Jimmy Hartwig, Steffi Jones, Erwin Kostedde, Jean-Manuel Mbom, Patrick Owomoyela, Shary Reeves, Jordan Torunarigha, Guy Acolatse, Rigobert Gruber, Beverly Ranger |
Jean-Manuel Mbom, ein junger Werder Bremen-Profi und Jugendnationalspieler, der 2000 in Göttingen geboren wurde, spricht am Ende der Doku „Schwarze Adler“ sehr reflektiert über sein Standing als afrodeutscher Fußballer heute: „Ich denke, dass wir schon einen weiten Weg gegangen sind. Mein Leben ist schon ganz anders, als das Leben einer schwarzen Person früher.“ Schon als kleiner Junge habe er erfahren, dass das Aussehen heute in vielen Fällen nicht mehr so viel zählt. Er sei stolz so auszusehen, wie er aussieht.
Wie afrodeutsche Fußballspieler:innen um Zugehörigkeit kämpfen
Erwin Kosteddes Erzählungen klingen da ganz anders. Der ehemalige Fußballprofi, der 1946 als Sohn eines GIs und einer deutschen Mutter zur Welt kam, hatte schon von Kindesbeinen an mit Vorurteilen gegen seine Hautfarbe zu kämpfen. Er passt nach Ansicht vieler nicht in das weiße Nachkriegsdeutschland. „Ich habe Kernseife genommen und habe gewaschen und gewaschen, drei, vier Stunden lang“, erzählt er. Er habe gehofft, dass seine Haut so abpellt und er auch weiß wird. Als er zur deutschen Nationalmannschaft eingeladen wird, beschimpfen ihn die Fans von den Rängen. „Ich bin nie in der Mannschaft warm geworden“, sagt er. Er kann seine tollen Leistungen deshalb nicht abrufen, läuft nur drei Mal für das DFB-Team auf.
Doku „Schwarze Adler“
Die Doku „Schwarze Adler“ ist ab Donnerstag, 15.04.2021, auf Amazon Prime verfügbar.
Die Geschichten, die die Protagonisten der Doku „Schwarze Adler“ erzählen, sind teils erschütternd. Anthony Baffoe berichtet von einem DFB-Pokalspiel Ende der 1980er-Jahre in Plattling. „Ich wurde permanent von den Zuschauern beleidigt“, sagt er. Er habe den Tränen nahe gestanden und sich gefragt, warum er das alles mache. Doch er ist auch ein Vorbild, wie Shary Reeves sagt, denn er kämpft dagegen an, lässt den Rassismus gegen ihn nicht auf sich beruhen.
„Schwarze Adler“ legt die Probleme der Gesellschaft offen
Ergänzt werden diese schonungslos ehrlichen Erzählungen der Spieler:innen durch Archiv-Aufnahmen, die sprachlos machen. So fragt ein Reporter in einer Sendung aus den 1950er-Jahren eine weiße Mutter, ob es nicht besser für ihr schwarzes deutsches Kind sei, wenn sie es zur Adoption freigeben würde. Sequenzen dieser Art werden immer wieder in die Doku „Schwarze Adler“ eingestreut. Sie machen deutlich, wie schwer es schwarzen Menschen in dieser Gesellschaft gemacht wurde – und zeitweise immer noch wird.
Die Geschichten der Profifußballer:innen zeigen, dass sie teilweise bis heute um Zugehörigkeit ringen. Die Amazon-Prime-Doku „Schwarze Adler“ zeigt ihre Erfahrungen beispielhaft und ist deshalb nicht nur für Fußballfans interessant und sehenswert. Denn jeder und jede sollte sich die Frage stellen, was er tun kann, damit in Zukunft beispielsweise die Hautfarbe keine Rolle mehr spielt. (Melanie Gottschalk)