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SC Freiburg und RB Leipzig: Gegensätze stoßen sich ab

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Von: Jakob Böllhoff

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Beschwichtigend: Freiburgs Kapitän Christian Günter.
Beschwichtigend: Freiburgs Kapitän Christian Günter. © Jan Huebner/Imago

Nach dem einseitigen, aber hitzigen Pokal-Halbfinale treffen der SC Freiburg und RB Leipzig am Samstag in der Bundesliga wieder aufeinander. Es droht eine emotionale Überfrachtung.

Es ändern sich die Zeiten und mit ihnen die Wurfobjekte. Und dass man auch in der beschaulichen Studentenstadt Freiburg mitunter nicht nur Argumente an den Kopf geschmissen bekommt, sondern wesentlich härtere Dinge, musste vor 23 Jahren schon Oliver Kahn schmerzlich erfahren. Ein Golfball, abgeworfen von der Südtribüne im alten Dreisamstadion, traf den damaligen Torwart und heutigen Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern an der Schläfe und verursachte eine klaffende Wunde, worauf der Titan, jäh konfrontiert mit der eigenen Verletzlichkeit, herumfuhr wie ein wildes Tier. Ein Stück Fußballgeschichte, mindestens in Freiburg.

Echowellen gehen aus von solchen Ereignissen, sie schwappen durch die Zeit, und am Dienstagabend kam mal wieder eine in Freiburg an, am gleichen Ort, der doch ein völlig anderer ist inzwischen. Dass die Emotionalität der Freiburger Fußballfans eine Münze mit zwei Seiten ist, hat sich jedenfalls nicht geändert. Auch die kühle Moderne des neuen Stadions, das nicht an der Dreisam liegt, sondern in der Nähe des Flugplatzes und eines alten Müllberges, schützt so manchen SC-Fan nicht vor dem Durchdrehen. Und konnte man dem Golfballwerfer immerhin noch einen gewissen Einfallsreichtum bei der Wahl seines Wurfgeschosses zusprechen, so war es diesmal ein schnödes Zwei-Euro-Stück, das den Gegner am Kopf traf. Es ist ja beinahe enttäuschend.

Überhaupt erschien die Aufregung in diesem Halbfinale des DFB-Pokals – Neuauflage des Pokalfinals der vergangenen Saison – zwischen dem SC Freiburg und Titelverteidiger RB Leipzig (1:5) künstlich hochgeschaukelt, nicht erst in dieser Szene rund um die 70. Spielminute, als der Leipziger Ersatzspieler André Silva beim Warmmachen von der Münze am Hinterkopf getroffen wurde und sicherheitshalber mal zu Boden ging. Ultras sprangen auf den Zaun, ein paar drangen in den Innenraum vor. SC-Spieler und Ordner drängten sie zurück.

Dabei war zur Pause doch schon alles entschieden. 4:0 stand es für die Gäste aus Sachsen, die über die Freiburger hinwegfegten mit einer rasenden Offensive. Warum der Stress, warum die Wut? Weil die Gegensätze riesig sind. Weil ein Spiel gegen den Red-Bull-Marketingklub stets über sich selbst hinausragt, weil die Ultras auch in Freiburg mit stumpfsinniger, programmierter Aggression für die Werte des Fußballs einstehen wollen beziehungsweise für das, was sie dafür halten. Weil es überall Idioten gibt. Weil halt.

„Es sind halt 35 000 Leute da. Wenn ein paar es nicht blicken – was willst du dann machen?“, sagte Freiburgs Trainer Christian Streich. Christian Günter, Kapitän der Breisgauer, kritisierte das Verhalten der Fans („nicht schön“), aber auch jenes von André Silva: „Ich lege mich da einfach nicht hin. Ich habe letzte Woche auf Schalke bei einem Eckball glaube ich auch fünf Feuerzeuge in den Rücken gekriegt“, sagte der Nationalspieler mit noch dampfendem Kopf bei Sky: „Wenn es keine Platzwunde oder irgendwas ist, dann nehme ich das Ding und werfe es auf die Seite, dann hat es sich erledigt und dann kochen die Emotionen gar nicht so hoch.“

Dass das womöglich nicht die hilfreichste Aussage ist angesichts der Tatsache, dass die Klubs sich am Samstag (15:30 Uhr) an gleicher Stelle erneut gegenüberstehen, in der Bundesliga, dürfte Günter mit etwas Abstand auch klar sein. Es geht ja wieder um sehr viel, die Teams sind vier Spieltage vor Saisonende direkte Konkurrenten um einen Platz in der Champions League. Vierter muss man dafür mindestens werden, Vierter ist aktuell der SC Freiburg, zwei Punkte vor den Leipzigern auf Platz fünf. Die Freiburger kämpfen um ihre erste Teilnahme in der Königsklasse, sie wollen das jetzt unbedingt schaffen, für RB geht es derweil um Pflichterfüllung. Eine brenzlige Konstellation, umso mehr nach den Ereignissen vom Dienstag.

Eine schräge Konstellation zudem, denn wer würde nach dem Pokalspiel bestreiten, dass sich hier zwei Teams mit ungleichen Mitteln begegnen. Hier die Freiburger mit ihrer Höfler-Höler-Mannschaft, die das Übersichhinauswachsen standardisiert hat. Dort die Leipziger mit funkelndem Luxuskader, dem überragenden Angriff um Dani Olmo, Christopher Nkunku und Dominik Szoboszlai. „Wenn eine Mannschaft wie Leipzig so auftritt wie heute, können wir nicht mithalten, wenn bei uns nicht alles passt“, sagte Streich, dessen Ärger sich deshalb auch in Grenzen hielt. „Sie waren so schnell, so gut. Ich bin schon wieder erholt“, sagte er. „Denn wer sind wir? Wir sind der SC Freiburg. Wenn Leipzig mit so einer Besetzung spielt, da gibt es nicht wenige Tage, wo wir die unterlegene Mannschaft sind. Das war in Wolfsburg so und auch in Dortmund. Aber wir sind immer wieder aufgestanden. Jetzt schauen wir mal, ob wir am Samstag etwas Unmögliches schaffen.“

Und die Leipziger? Freuten sich genüsslich über den dritten Finaleinzug im Pokal in Folge. Betrachteten mit Genugtuung, wie die so lange verletzten und so schmerzlich vermissten Olmo (ein Tor, drei Vorlagen) und Nkunku (ein Tor) durch die löchrige Freiburger Defensive wirbelten, als würde ein unsichtbarer Regisseur sie vorspulen. Ein vergleichbarer Auftritt würde am Samstag wohl auch die wichtigen drei Punkte bedeuten. Aber das ist ja das Problem. Auf Wiedervorlage funktioniert nichts im Fußball. „Das ist der Kampf eines jeden Trainers“, sagte Trainer Marco Rose. „Alle streben danach, dass die Spannung hochgehalten wird und alle dranbleiben, dass immer diese Haltung und die gleiche Energie gezeigt wird. Aber manchmal kann man Kleinigkeiten nicht beeinflussen.“

Schon gar nicht, wenn sie von der Tribüne geflogen kommen.

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