WM 2022 in Katar: Rutschgefahr für den DFB

Nationalspieler sollen sich bei der Weltmeisterschaft in Katar laut Manager Oliver Bierhoff und Bundestrainer Hansi Flick „um die sportlichen Leistungen kümmern“.
Frankfurt/Doha – Anfang kommender Woche wird eine Kleingruppe aus sechs Männern sich aus Deutschland auf den Weg nach Katar begeben. Die Expedition, angeführt von DFB-Direktor Oliver Bierhoff und Bundestrainer Hansi Flick, dauert vier Tage. Weiter mit an Bord: Teammanager Thomas Beheshti, Praktikant Benedikt Höwedes sowie die beiden Co-Trainer Marcus Sorg und Danny Röhl. Das Sextett will vier mögliche Quartiere für die am 21. November 2022 beginnende Fußball-WM begutachten, sich ein Halbfinale des Arab Cups anschauen und ein Gefühl für die politische Lage entwickeln.
„Das ist natürlich ein Thema. Wir sehen die Diskussionen rund um Olympia 2022 in Peking“, sagte Bierhoff bei einem virtuellen Jahresabschlussgespräch. Ein Boykott der WM 2022 in Katar mache „keinen Sinn“, legte er sich fest. „Wir wollen nicht blind in das WM-Turnier hereinlaufen, sondern uns ein Bild machen.“ Die Strategie lässt der Manager bereits durchblicken: „Wir müssen nicht jede Rolle einnehmen. Wir sind Sportler.“ Für Trainer und Spieler stehe der Fußball im Vordergrund. „Wir sollten diese Flanke nicht zu sehr aufmachen, sondern uns während des Turniers um die sportlichen Leistungen kümmern.“
Flick fügte hinzu, es würden weitere Gespräche mit Organisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch geben. „Wir werden nicht nur sportlich gut vorbereitet sein. Wir haben bei Bayern München gesehen, wie wichtig das auch den Fans ist.“ Man wolle dieses Thema „weghaben“, damit wir „uns dann, wenn wir in Katar sind, auf die Dinge konzentrieren, die wichtig sind - nämlich erfolgreich Fußball zu spielen“.
WM 2022 in Katar – Peter Peters kritisiert die USA
Bierhoff verwies auf die Verantwortung eines künftigen neuen Verbandspräsidiums: „Wir treten als DFB auf. Die Führung hat die sportpolitische Repräsentanz, das ist dann auch so, dass die entsprechend gewisse Positionen einnehmen werden.“
Das klingt in alter Verbandstradition verdächtig danach, dass die heiklen Themen vor Ort alleine durch die Funktionäre abgearbeitet werden sollen. Sollte Kandidat Peter Peters am 11. März zum DFB-Präsidenten gewählt werden, begibt sich dieser auf rutschiges diplomatisches Gelände. In der Gesprächsrunde „Bembel und Gebabbel“ führte er jüngst aus: „Wir stellen fest, dass in ganz vielen Ländern der Welt die Werte, die wir hier in Deutschland haben und für die der DFB auch steht, nicht so umgesetzt werden, wie wir uns das wünschen.“

Er erwähne „gerne mal die USA mit der Todesstrafe. Ich wünsche mir dann auch, dass das mal genauso gesagt wird und nicht immer nur die Länder, die uns nicht gefallen. Nehmen wir mal Russland, da ist auch einiges vielleicht nicht in Ordnung. Ich habe das Gefühl, dass die Aufregung viel größer ist, wenn wir in diesen Ländern Fußball spielen, als wenn wir in den USA spielen. Da kommt keiner und sagt: ,Jetzt müsst ihr mal gegen die Todesstrafe sein.´“ Die Diskussion sei „ein bisschen halbherzig“ und würde politisch „nach gut und schlecht aufgeteilt“.
WM 2022 in Katar: Sportliche Leitung verweist ans DFB-Präsidium
Schon beim Confed Cup 2017 und der WM 2018 in Russland hatte die Sportliche Leitung bei politischen Fragen ans DFB-Präsidium verwiesen. Auch während der EM 2012 in Polen fühlten sich Trainer und Team von Erinnerungskultur an den Zweiten Weltkrieg komplett befreit, nachdem vor Turnierstart eine kleine DFB-Abordnung mit nur drei Spielern, Bierhoff, Ex-Präsident Wolfgang Niersbach und Ex-Bundestrainer Joachim Löw die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz besucht hatte.
Das hatte seinerzeit zu Kritik geführt: „Wenn die komplette deutsche Nationalmannschaft gekommen wäre, hätte man damit Hunderttausende junger Menschen erreicht, mehr als mit tausend Gedenkreden“, sagte Dieter Graumann, der damalige Präsident des Zentralrats der Juden. Auch vor Ort in der Nähe des Teamcamps in Danzig besuchte 2012 nur eine von Niersbach angeführte Funktionärsdelegation die Westerplatte, wo einst Hitler-Deutschland Polen überfiel. Die Mannschaft sollte sich lieber auf den Fußball konzentrieren. (Jan Christian Müller)