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Rote Zahlen im deutschen Frauenfußball

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Von: Frank Hellmann

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Ungleiches Rennen: Wolfsburg und Potsdam werden langfristig nicht in der selben Liga spielen.
Ungleiches Rennen: Wolfsburg und Potsdam werden langfristig nicht in der selben Liga spielen. © Imago

In der Bundesliga steigen die Ausgaben deutlich schneller als die Einnahmen - das können sich nur Lizenzvereine noch leisten

Es verwundert kaum, dass die Frauen-Bundesliga mit Wachstumsraten aufwartet, von denen die ersten drei Männer-Ligen aktuell weit entfernt sind. Noch immer ist das Ausgangsniveau eben vergleichsweise niedrig. Die oberste deutsche Spielklasse der Fußballerinnen soll größer und stärker werden – und da sieht die für den Frauen- und Mädchenfußball zuständige DFB-Vizepräsident Silke Mammitzsch eine gute Entwicklung: „Was Sichtbarkeit, Reichweite und Erträge angeht, konnte unsere Liga erneut zulegen.“ Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Die Ausgaben wachsen derzeit deutlich schneller als die Einnahmen.

Die fast drei Millionen Euro Gesamtaufwendungen pro Klub in der Saison 2021/2022 bedeuteten in den vergangenen fünf Jahre eine Steigerung von mehr als 50 Prozent – und sind ebenso ein Rekordwert. Die Gesamteinnahmen decken nicht mal mehr den Personalaufwand. Im Schnitt zahlen die Klubs 1,64 Millionen Euro an Gehältern. Steigerungsrate gegenüber der Saison 2017/2018: satte 55 Prozent. Hartmann sieht darin „einen Indikator für Professionalisierung“.

Dennoch bestehen zwischen den einzelnen Klubs große Unterschiede. Abstiegskandidaten bieten mitunter nur dreistellige Aufwandsentschädigungen, während sich Topklubs wie VfL Wolfsburg und FC Bayern fünfstellige Monatsgagen leisten – auch um international nicht den Anschluss zu verlieren. Sonst würden die EM-Heldinnen kaum mehr hierzulande spielen.

Tobias Trittel, Koordinator Sport Frauenfußball beim VfL Wolfsburg und designierter Vorsitzender des zuvor von Siegfried Dietrich (Eintracht Frankfurt) geleiteten Ausschusses Frauen-Bundesligen, deutete an, dass sich den Aufwand fast nur noch Lizenzvereine leisten können. Frauenfußballvereine wie Turbine Potsdam oder ein Ausbildungsklub wie SGS Essen müssen schon jetzt um ihre Konkurrenzfähigkeit fürchten.

Nächste Saison könnte bereits RB Leipzig aufsteigen, mittel- und langfristig ist auch mit Borussia Dortmund oder Union Berlin zu rechnen. Hertha BSC, das die Kooperation mit Turbine Potsdam beendet hat, will selbst eine Frauen-Abteilung gründen. Noch handelt es sich auf oberster Ebene aber um ein Zuschussgeschäft. Ein Frauen-Bundesligist macht im Schnitt mittlerweile fast 1,5 Millionen Euro Verlust, wobei es bei den vier Klubs ohne einen Lizenzverein im Rücken in der Vorsaison (Potsdam, Essen, SC Sand, Carl-Zeiss Jena) im Schnitt nur 151 000 Euro waren.

DFB lobt die Investitionen

Trotz der negativen Zahlen sieht DFB-Abteilungsleiter Manuel Hartmann „einen positiven Trend“: Noch immer sei die Liga „in einer Investitionsphase und in keiner wirtschaftlich bedrohlichen Situation“. Das Geld der Lizenzvereine sei schließlich gut angelegt, um an Image und Marke zu feilen. Die Frauen-Bundesliga hat in 2021/2022 Gesamterlöse von rund 17 Millionen Euro generiert. 40 Prozent mehr als in der Saison davor, dennoch gelten die Erträge aus Werbung (678 000 Euro im Schnitt), medialen Verwertung (244 000) oder Zuschauereinnahmen (76 000) als ausbaufähig.

Die laufende Saison hat angestoßen durch die deutschen Fußballerinnen eine (deutliche) Besserung bei den geringen Zuschauerzahlen gebracht, der in der Vorsaison bei gerade einmal 800 lag. Nun war allein schon in der Hinrunde mit 190 000 Fans (im Schnitt knapp 3000 pro Spiel) der Zuspruch größer als in jeder Spielzeit zuvor. Die EM in England hat also offenbar nachhaltig für höheres Interesse gesorgt, dass nun durch mehr Sichtbarkeit im Fernsehen, insbesondere in den Öffentlich-Rechtlichen befeuert wird. Bereits vergangene Spielzeit wurde 77 Stunden übertragen, mit dem neuen TV-Vertrag wird ab der Saison 2023/2024 die nächste Stufe mit insgesamt 32-Live-Übertragungen allein im Free-TV gezündet. Einher geht aber auch die Zerstückelung des Spieltags von Freitag bis Montag.

Den nicht unumstrittenen Montagstermin verteidigte der DFB vehement, um ein Alleinstellungsmerkmal zu besitzen. Für die Frauen-Bundesliga steigen die TV-Einnahmen nächste Saison auf 5,1 Millionen Euro. Zudem ist aber auch das Format mit zwölf Vereinen für die nächsten vier Jahre festgeschrieben. „Früher als der Saison 2027/2028 ist eine Aufstockung nicht realistisch“, sagte Hartmann.

Laut einer DFB-Studie könnte der kommerzielle Wert in den nächsten zehn Jahren noch signifikant steigen. Demnach würde es 2031/32 bestenfalls eine Frauen-Bundesliga mit 16 Lizenzvereine geben, die im Schnitt vor 7500 Zuschauern spielt und 130 Millionen Euro in einer Saison umsetzt. Ziele, die aktuell noch in ganz weiter Ferne sind.

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