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Rekordkulisse in Barcelona? Ein weltweites Zeichen

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Von: Frank Hellmann

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Kennen sich mit einem Rekordspiel vor riesiger Kulisse aus: Die Fußballerinnen des FC Barcelona jubelten im März vor 60 739 Fans bei Atletico Madrid.
Kennen sich mit einem Rekordspiel vor riesiger Kulisse aus: Die Fußballerinnen des FC Barcelona jubelten im März vor 60 739 Fans bei Atletico Madrid. © imago images / DeFodi

Ein prall gefülltes Camp Nou beim Frauen-Clasico zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid begreift der katalanische Renommierklub als globale Botschaft für Gleichberechtigung.

Die Lockenpracht ist nicht mehr so üppig und auch die Figur vielleicht nicht ganz so sportlich wie früher. Gleichwohl war unschwer zu erkennen, wem Trainer Jonatan Giráldez die Tür zum kleinen Besprechungsraum auf dem Trainingsgelände des FC Barcelona öffnete: Carles Puyol, die leibhaftige Vereinslegende. Den einst gefürchteten Verteidiger begrüßten die Barca-Fußballerinnen mit fast ehrfürchtigem Applaus, ehe der 43-Jährige in einem grauen Schlabbershirt auf einer Tischecke sitzend über die „maximale Rivalität“ in einem Clasico zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid sprach.

Der treue Puyol hat als Kapitän der Blaugrana drei Champions-League-Titel (2006, 2009 und 2011) gewonnen, doch in jüngerer Vergangenheit kommen für solche Dekorationen nur noch die Frauen infrage, die als Titelverteidigerinnen im Viertelfinal-Rückspiel der Women’s Champions League gegen Real Madrid (Mittwoch 18.45 Uhr/Dazn) nicht nur wegen des 3:1-Hinspielsieges haushohe Favoritinnen sind.

Der Renommierklub macht trotz seines horrenden Schuldenbergs gerade vor, wie eine nachhaltige Förderung und glaubwürdige Verankerung des Frauenfußballs im Verein und in der Öffentlichkeit aussehen kann. Bereits am 17. Januar vermeldete der Verein via Twitter, dass das Camp Nou mit seinen 99 000 Plätzen für den Frauen-Clasico ausverkauft sei.

Unklar ist, ob wirklich so viele kommen, da Vereinsmitglieder zum Start des Vorverkaufs 24 Stunden lang Karten reservieren konnten – und nur eine Verwaltungsgebühr zahlen mussten. Für Nicht-Mitglieder kosteten die Tickets danach zwischen neun und 15 Euro. Bestmarke für ein Vereinsspiel sind jene offiziell an den Einlasstoren registrierten 60 739 Fans, die vor drei Jahren Atletico Madrid zum Ligaspiel gegen Barcelona lockte. Jetzt rührt der Klub über seine Kanäle noch einmal kräftig die Werbetrommel. Das Vereinsmotto „Més que un club“ soll noch einmal eine geschlechterübergreifende Dimension bekommen. Die vergangenen Sommer vom VfL Wolfsburg gewechselte Schwedin Fridolina Rolfö sagt ergriffen: „Ein Traum wird wahr. Ich bin sehr aufgeregt.“

Ihr Klub fügt einen sportlichen Masterplan und geschicktes Marketing zusammen, aber alles fußt auf einer fußballerischen Entwicklung des Frauenteams, das ohne überbordenden Zukauf ausländischer Spielerinnen zur Benchmark geworden ist – und im Vorjahr im Champions-League-Finale den FC Chelsea mit der deutschen Nationalspielerin Melanie Leupolz (4:0) vorführte.

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg bewundert das Team, das auch das Gerüst für die spanische Nationalelf stellt, für ihre spielerische Dominanz. Die DFB-Frauen treffen bei der EM in England am 12. Juli im zweiten Gruppenspiel auf Spanien. „Das ist aktuell die beste Mannschaft der Welt“, findet Voss-Tecklenburg.

Weltfußballerin Alexia Putellas orchestriert in Verein wie Nationalteam jenen typischen Tiki-Taka-Stil, den einst Pep Guardiola um die Welt trug. Schnelle Ballstafetten, frühe Balleroberungen stellen die Gegnerinnen vor unlösbare Rätsel. Auch die Real-Frauen, bei denen die frühere deutsche Nationalspielerin Babett Peter die Abwehr führt, waren trotz einer frühen 1:0-Führung in der vergangenen Woche hoffnungslos unterlegen.

Die Königlichen ließen das Hinspiel im eher provinziell anmutenden Estadio Alfredo Di Stéfano auf dem Real-Trainingsgelände austragen. Der Erzrivale hingegen benutzt sein legendäres Stadion als Resonanzkörper, um sein Engagement für Gleichstellung, Vielfalt und Integration zu unterstreichen. „Wir sind bereit, vor so vielen Menschen zu spielen“, versprach Putellas: „Mädchen werden davon träumen, ab morgen Fußballerin zu werden. Es wird der Beginn von etwas sehr Schönem.“

Geplant ist vor dem Anstoß eine riesige Choreographie, bei der neben den Vereinsfarben, der katalanischen Flagge und zwei Frauen-Symbolen auf Höhe der Tore auch die Botschaft „More than empowerment“ erscheint. „Das erste Spiel in der Geschichte von Barca Femeni im Camp Nou soll eine Botschaft an die Welt zugunsten der Gleichberechtigung senden“, heißt es auf der Vereinshomepage etwas vollmundig. Und weiter: „Ein kraftvolles Bild, das das Recht der Frauen auf ihren rechtmäßigen Platz in einer gleichberechtigten Gesellschaft sichtbar macht.“

Damit wirklich alle Karteninhaber:innen für das vom Verein gewünschte „visuelle Manifest“ erscheinen, haben Barca-Stars wie Pierre-Emerick Aubameyang in einer Videobotschaft zum Stadionbesuch aufgerufen, damit nicht noch unerwartete Lücken auf den Rängen auftauchen. Gesellschaftlich scheint beim Frauen-Clasico fast noch mehr auf dem Spiel zu stehen als sportlich – und die Publikumszahl fast spannender als das Spielergebnis.

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