1. Startseite
  2. Sport
  3. Fußball

Real Madrid: Erfolg der Effizienz und Gelassenheit

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Hendrik Buchheister

Kommentare

Kollektive Ausgelassenheit: Marcelo mit Pokal und jubelnden Teamkollegen um ihn herum.
Kollektive Ausgelassenheit: Marcelo mit Pokal und jubelnden Teamkollegen um ihn herum. © AFP

Die Königlichen stören sich gegen den FC Liverpool nicht an der eigenen Unterlegenheit und schlagen mit der einzigen echten Chance erbarmungslos zu.

Für einen Moment war Carlo Ancelotti der einsamste Mann im Stade de France. Als erstes Mitglied der Delegation von Real Madrid hatte der Trainer seine Medaille abgeholt nach dem 1:0 im Finale der Champions League gegen den FC Liverpool und ließ sich auf dem blauen Siegerpodest nieder. Ancelotti saß da, alleine, schaute ins Rund und war offensichtlich zufrieden mit sich und der Welt. Dann folgten ihm seine Spieler auf das Podest, und als die Mannschaft vollzählig war, stemmte der gar nicht zum Einsatz gekommene, aber sichtlich bewegte Marcelo den Silberpokal mit den Riesenhenkeln in die Pariser Nacht.

Es war eine Nacht für die Ewigkeit für Ancelotti, eine Nacht, in der er zum alleinigen Rekordhalter für die meisten Champions-League-Siege als Trainer aufstieg. Mit vier Erfolgen steht er jetzt vor Bob Paisley, der mit dem FC Liverpool dreimal den alten „Europapokal“ gewann, und vor Zinedine Zidane, der Real Madrid zwischen 2016 und 2018 dreimal nacheinander auf den kontinentalen Thron gehievt hatte. Dass Ancelotti seine vier Pokale mit zwei verschiedenen Klubs holte, nämlich mit dem AC Mailand und Real, und dass zwischen dem ersten (2003) und dem jüngsten Triumph (2022) fast zwei Jahrzehnte liegen, spricht für die universelle Klasse und die Langlebigkeit seiner Trainerkunst. Das wird man wohl auch beim FC Bayern anerkennen müssen, wo Ancelotti einst als Nachfolger von Pep Guardiola nach nur 15 Monaten entlassen worden war, übrigens im Anschluss an eine Niederlage in Paris, bei PSG.

Carlo Ancelotti: Dompteur der Super-Egos

Ancelotti gilt als Dompteur der Super-Egos, der dem Zirkus des Spitzenfußballs mit Gelassenheit und hochgezogener Augenbraue begegnet. Toni Kroos, der als einer von neun Real-Profis gegen Liverpool seinen fünften Champions-League-Titel feierte, gab nach dem Finale einen Einblick in das Leben unter dem Italiener. „Man kann sagen, dass Carlo es wie kein Zweiter versteht, eine Gruppe zu managen und hinter sich zu bringen. Manchmal sind Freiheiten auf dem Platz genau so wichtig wie alles im kleinsten Detail zu planen“, sagte Kroos spät in der Nacht, als er im Trikot und mit schwarzem Sakko drüber das Stadion verließ.

Real hatte gegen Liverpool wieder einmal getan, was Real immer getan hat in dieser Champions-League-Saison. Die Mannschaft störte sich nicht an ihrer Unterlegenheit, sondern wartete auf ihre Chance und schlug mit brutaler Effizienz zu. Hinten war Torwart Thibaut Courtois mit einer überragenden Leistung dafür verantwortlich, dass keiner der vielen Liverpool-Schüsse ins Ziel fand, und vorne nutzte Vinícius Júnior die einzige Real-Chance nach einer knappen Stunde zum Siegtreffer.

Nach ähnlichem Muster hatten sich die Spanier auf erstaunliche Weise durch den Wettbewerb navigiert in dieser Saison. Im Achtelfinale gegen PSG, im Viertelfinale gegen Vorjahressieger Chelsea und im Halbfinale gegen Manchester City stand die Mannschaft jeweils knapp vor dem Aus und kam trotzdem immer weiter dank maximaler Cleverness. „Real ist am tödlichsten, wenn es am meisten darauf ankommt“, musste der „Telegraph“ anerkennen.

Fatalistischer Jürgen Klopp will wieder angreifen

Auch Jürgen Klopp erklärte den Ausgang des Finals damit, dass den Spaniern gelungen war, was Liverpool verpasst hatte: „Sie haben getroffen, wir nicht. Das ist der Unterschied zwischen Sieg und Niederlage.“ Vorwürfe wollte der Trainer seiner Mannschaft nicht machen nach dem deprimierenden Abschluss einer außergewöhnliche Saison. Bis vor Kurzem hatte der FC Liverpool die realistische Aussicht auf eine monumentale Leistung, auf das „Quadruple“ mit vier Titeln. Doch nach dem letzten Abpfiff der Spielzeit kann die Mannschaft nur zwei Trophäen vorzeigen, nämlich den englischen Ligapokal und den FA-Cup.

Die Meister-Entscheidung in der Premier League fiel am letzten Spieltag in den letzten paar Spielminuten zugunsten von Manchester City, und in der Champions League musste Klopp seine insgesamt dritte Finalniederlage nach 2013 (mit Borussia Dortmund gegen Bayern) und 2018 (mit Liverpool gegen Real) hinnehmen. Er berichtete, in der Kabine eine betrübte Mannschaft vorgefunden zu haben, gab aber gleich wieder das Endspiel im kommenden Jahr in Istanbul als Ziel aus. „We will go again!“, kündigte er an. Wir werden es wieder versuchen! Daran besteht kein Zweifel. Klopp hat eine der besten Mannschaften in der Geschichte des FC Liverpool geschaffen. So abgeklärt wie Real Madrid ist sie allerdings noch nicht.

Auch interessant

Kommentare