VfB Stuttgart: Hotspot mit Tücken

Beim Frankfurt-Gegner VfB Stuttgart hat der neue Trainer Sebastian Hoeneß die Stimmung gedreht, aber es gärt dennoch.
Frankfurt – Fans von Eintracht Frankfurt aufgepasst: Am Mittwochabend anlässlich des DFB-Pokal-Halbfinals des VfB Stuttgart gegen die Eintracht (20:45 Uhr/Sky und ARD) dürfte es nicht nur auf dem Fußballplatz eng für die Hessen werden, sondern zuvor und danach auch für die Fans. Das Frühlingsfest mit Riesenrad und Festzelten auf dem Cannstatter Wasen gegenüber dem Stadion, Helene Fischer im ausverkauften Konzert in der benachbarten Hanns-Martin-Schleyer-Halle und das Bundesliga-Handballspiel des TVB Stuttgart gegen die Füchse Berlin in der angrenzenden Porsche Arena machen den Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt zum Hotspot.
Ohnehin steigt mit den Temperaturen auch gerade das Stimmungsbarometer im Schwäbischen – umgekehrt proportional zu jenem in Frankfurt sozusagen. Der Trainerwechsel von Bruno Labbadia zu Sebastian Hoeneß war der Brustlöser. Der Neffe von Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß übernahm den VfB vor vier Wochen auf dem letzten Tabellenplatz. Die Stimmung seinerzeit: entsprechend bescheiden, die Hoffnung auf akute Besserung ebenso. Hoeneß wurde vor allem als Konzepttrainer geholt, der eine Strategie für die Zukunft entwickeln sollte. Eine Perspektive, die auch dem bestens beleumundeten Nachwuchs mehr Chancen auf Einsätze präsentieren und die DNA der „Jungen Wilden“ wiederbeleben soll.
VfB Stuttgart vor dem DFB-Pokal-Halbfinale – Neuer Trainer strahlt Souveränität aus
Nach dem 2:1 (1:0) am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach muss man sagen: Sebastian Hoeneß hat überperformt und auch operativ geliefert: Pokalsieg zum Einstand in Nürnberg, Sieg auswärts in Bochum (der erste Erfolg auf fremden Terrain seit einer Steinzeit), opulent gefeiertes 3:3 in Unterzahl gegen Borussia Dortmund, 1:1 in Augsburg nach Rückstand, nun 2:1 gegen Gladbach. Chapeau, Herr Hoeneß!
Der Sohn von VfB-Ikone Dieter Hoeneß, der bei seiner ersten Station als Profitrainer in Hoffenheim in seiner Öffentlichkeitsarbeit noch reichlich gehemmt wirkte, strahlt an neuer Wirkungsstätte Souveränität aus. Die Anfangserfolge machen es dem 40-Jährigen natürlich leichter.
Aber bei aller aktuellen Begeisterung über die frische Luft im modernden Tabellenkeller – noch befindet sich der VfB ein gutes Stück vom Klassenerhalt entfernt. Vorstandschef Alexander Wehrle, seit 13 Monaten im Amt, ist auch wegen des Irrtums mit der Verpflichtung des vermeintlichen Retters Bruno Labbadia vermehrt unter Druck geraten. Am Sonntag kritisierte der 48-Jährige in einem denkwürdigen Fußball-Stammtisch „Doppelpass“ bei Sport1 den bei den Fans beliebten vormaligen VfB-Sportdirektor Sven Mislintat scharf. Es habe sich um eine „One-Man-Show“ gehandelt, weshalb er Kompetenz durch die beiden Berater Sami Khedira und Philipp Lahm dazu geholt habe. „Es war mir wichtig, den VfB breiter aufzustellen, unterschiedliche Perspektiven zuzulassen und nicht nur von einer Person abhängig zu sein.“
VfB-Vorstandschef Wehrle übt scharfe Kritik an Ex-Sportdirektor Mislintat
Auch die Kaderplanung kritisierte Wehrle massiv: Ein zweistelliger Millionenbetrag für das Nachwuchsleistungszentrum, dazu eine angeblich ähnlich hohe Summe für das Gehalt von zehn verliehenen Spielern, ein individuell zwar gut bestücktes Aufgebot, dem aber „ein paar Bausteine“ fehlten – Mislintat bekam es Dicke von Wehrle, der seinerseits fundamental von Reporter Martin Quast kritisiert wurde: „Dieser Abstiegskampf ist hausgemacht. Herr Wehrle, daran haben Sie große Schuld“ – sowohl wegen der falschen Entscheidung pro Labbadia als auch mit der Installation von Khedira und Lahm ohne jegliche Vorabsprache mit Mislintat.
Quast sprach von „groben handwerkliche Fehler vonseiten des Vorstands“ und einer kostenintensiven Trennung von Labbadia. Wehrle widersprach. Der Trainerwechsel habe den VfB „gar nichts gekostet“. Was verwundert und noch zu beweisen wäre. Wehrle bot dem Journalisten vor laufender Kamera an, ihm Einsicht in die entsprechenden Unterlagen zu gewähren. (Jan Christian Müller)