Plötzlich ein Torfestival

Engagierter Auftritt des DFB-Teams gegen Italien wird belohnt und beschert Hansi Flicks Mannschaft gute Chancen, in der Nations League die Finalrunde zu erreichen
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft kann auch gegen Kontrahenten höherer Gewichtsklasse mehr als bloß einen Treffer erzielen. Das bewies ein engagiertes DFB-Team am Dienstagabend vor ausverkauftem Haus in Mönchengladbach beim 5:2 (2:0) gegen allerdings erstaunlich unorganisierte Italiener, denen auch die großartige Unterstützung durch ihre Landsleute wenig half. In der Nations League hat die noch ungeschlagene Mannschaft von Hansi Flick mit dem ersten Saisonsieg das Tor zum Final Four-Turnier im kommenden Juni geöffnet. Das entscheidet sich im September gegen Tabellenführer Ungarn und in England.
Es ist aber dennoch offenkundig, dass Flick dem Braten mit Blick auf die WM in Katar noch nicht recht traut und deshalb auf große Rotation verzichtet. Einspielen geht vor Experimentieren. Andernfalls hätte der Bundestrainer dem einen oder anderen seiner zweiten Reihe von Beginn an eine Chance geschenkt. Tat Flick aber nicht, weshalb darob sicher wenig begeisterte Männer wie Kevin Trapp, Jonathan Tah, Anton Stach, Karim Adeyemi, Julian Brandt oder Lukas Nmecha es in vier Spielen der Nations League binnen zehn Tagen nicht ein einziges Mal in die deutsche Startelf schafften. Das ist deshalb auffällig, weil der Bundestrainer ja recht vehement über die Belastung durch so viele Spiele in so kurzer Zeit gestöhnt hatte.
Es durfte noch einmal der zuletzt unberücksichtigt gebliebene Leroy Sané mitmachen, dessen mangelndem Engagement in Spiel und Training in den vergangenen zwei Wochen zum Trotz. Auf den Münchner Offensivspieler, den Manager Oliver Bierhoff zuvor sanft kritisiert hatte, redete sein Teamkollege Thomas Müller beim Aufwärmen entsprechend intensiv ein. Auch Timo Werner bekam eine neuerliche Chance gewährt. Mit beiden Problemspielern hat Flick also nach wie vor Geduld. Wobei Werner ja fehlendes Engagement auch nicht nachgesagt werden kann. Er strengt sich immer an.
Das tat er sicher auch gleich nach 25 Sekunden, als ein feiner Pass von Müller Werner erreichte, diesem jedoch aussichtsreich im Strafraum ein technischer Fehler in der Ballverarbeitung unterlief. Auch Sané führte sich per Fehlpass ein. Aber nachdem bald darauf Manuel Neuer wieder einmal per Reflex eine Großchance entschärft hatte, wurde es bald besser. In der zehnten Minute war Werner am Führungstreffer beteiligt, als er Niklas Süles Pass auf David Raum bugsierte, dessen Flanke Joshua Kimmich mit links zum 1:0 veredelte. Bereits der zweite Treffer dieses Junis durch Kimmich, der als einziger deutscher Feldspieler in allen vier Partien von Anfang an dabei war.
In der Folge demonstrierte Italien wenig Sinn für Zeit und Raum, derweil die Gastgeber mit viel mehr Langholz agierten, als dies die DFB-Elf seit den Zeiten von Erich Ribbeck oder Rudi Völler je getan hätten. Erklärbar war das leicht: Flick hatte keine Lust auf elendes Ballgeschiebe, er wollte Pässe und Läufe in die Tiefe sehen. Von hinten machte dabei vor allem Süle positiv auf sich aufmerksam, wenngleich dem Bald-Dortmunder hinten die eine oder andere Nachlässigkeit unterlief. Typisch Süle halt.
Vorne präsentierten sich die besonders intensiv beobachteten Werner und Sané als Licht-und-Schattenspieler, allerdings ehrlicherweise mit mehr Schatten. Mal kombinierten sie sich gut durch – der italienische Torwart Gianluigi Donnarumma hatte entsprechend viel zu tun -, mal fummelten sie sich vorhersehbar fest. Ein ums andere Mal unterliefen ihnen Fehlpässe, die wohl vor allem mit Verunsicherung erklärbar waren.
In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit war der tapfere Donnarumma dann aber machtlos. Ilkay Gündogan verwandelte einen an Jonas Hofmann in dessen Heimatstadion verursachten Strafstoß zum 2:0 fürs deutsche Team, das die von den Italienern angebotenen großflächigen Räume gut nutzte.
Die zweite Halbzeit begannen die offenbar mit einer Kaltwasserdusche erweckten Gäste mit wütenden Angriffen. Die sich aber bald als Strohfeuer erwiesen. Denn in der 51. Minute schloss Thomas Müller eine ungenügend entschärfte Hereingabe des agilen Raum zum 3:0 ab – und feierte sein Tor wie dereinst Boris Becker einen verwandelten Satzball in Wimbledon. Das deutsche Match war noch nicht entschieden: Timo Werner machte eine schöne Kombination mit dem 4:0 zur wunderschönen Kombination (68.) und ließ keine zwei Minuten später das 5:0 folgen. Italien antwortete mit zwei Toren durch den 18-jährigen Wilfried Gnonto und Sandro Bastoni. Klassische Ehrentreffer, mehr nicht.