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Peru und die Narben der Vergangenheit

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Von: Frank Hellmann

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Auch mit 33 noch am Ball: Ex-Eintracht-Verteidiger Carlos Zambrano.
Auch mit 33 noch am Ball: Ex-Eintracht-Verteidiger Carlos Zambrano. © Imago

Auch der Fußball hat allergrößte Mühe, ein zerrissenes Land wie Peru zu einen.

Das Entsetzen war damals im Ahmad bin Ali Stadium im Westen von Doha mit Händen zu greifen. 10 000 Peruaner waren um die halbe Welt geflogen, um dieses eine Spiel zu verfolgen, zu Hause fieberte an jenem 14. Juni 2022 das ganze Land mit, als sich Peru gegen Australien in den Interkontinental-Playoffs um einen der letzten freien Plätze bei der WM in Katar stritt. 120 Minuten blieben torlos, dann setzten sich die „Socceroos“ im Elfmeterschießen durch. Die Trauer war riesig, denn Ablenkung hätte eines der Armenhäuser Südamerikas so dringend nötig gehabt.

Wenn Peru nun mit einer Elf ohne große Stars in Mainz gegen Deutschland antritt, dann sind die Wunden der verpassten WM-Teilnahme zwar vernarbt und geht der Blick bereits zur WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko, doch was die Teilnahme in der Wüste hätte auslösen können, zeigte das Turnier 2018 in Russland: Bis zu 40 000 Landsleute feuerten „La Blanquirroja“, die Weiß-Roten, an. Peru erhielt den „The Best Fifa Football Award“ in der Kategorie Fans.

Die Generation mit den früheren Bundesliga-Stars Claudio Pizarro und Jefferson Farfan hat längst abgedankt. Beide bereiten ihre Abschiedsspiele bei Alianza Lima vor. Immer noch aktiv ist mit 39 Jahren der ehemalige HSV-Stürmer Paolo Guerrero, der seit Jahresbeginn für Racing Club in Argentinien spielt – und trotz seiner 39 Jahre wieder vielfach gefordert wird. Guerrero ist in Mainz nicht dabei, wohl aber Carlos Zambrano: Der ehemals für den FC St. Pauli und Eintracht Frankfurt aktive Verteidiger soll mit 33 die Defensive zusammenhalten.

In der Offensive ruhen die Hoffnungen auf Mittelstürmer Gianluca Lapadula, ebenfalls 33. Der bei Juventus Turin ausgebildete Italo-Peruaner ist bei Cagliari Calcio in der Serie B als treffsicherer Torjäger unterwegs und fragt: „Warum soll man nicht an einen Sieg gegen Deutschland denken?“ Die Testspiele in Europa – danach in Madrid gegen den WM-Halbfinalisten Marokko – sollen helfen, unter dem neuen Nationaltrainer Juan Reynoso international nicht den Anschluss zu verlieren.

Der Fußball taugt gerade nur bedingt als Klebstoff, denn das Land ist weder wirtschaftlich noch politisch stabil, was auch daran liegt, dass heute 33 Millionen Menschen versorgt werden müssen – 1950 waren es nur acht Millionen. Die Fläche von Peru ist viermal so groß wie die Bundesrepublik, doch 40 Prozent sind an in- und ausländische Konzerne für die Erschließung „natürlicher Ressourcen“ freigegeben. Nachhaltigkeitsaspekte spielen eine untergeordnete Rolle, selbst das einzigartige Manú-Biosphärenreservat, das zum UNESCO-Welterbe zählt und eigentlich für immer unangetastet bleiben müsste, ist durch Öl- und Gasexplorationen, illegales Abholzen der Wälder, Straßenbau und den allgegenwärtigen Drogenanbau nicht vor der Zerstörung sicher. Peru ist einer der größten Kokain-Produzenten der Welt.

Im Dezember vergangenen Jahres schwappten verstörende Bilder nach Europa, als es nach einem Staatsstreich zu blutigen Unruhen kam. Sogar der heimische Liga-Betrieb musste ausgesetzt werden. Aber wer auch immer das Land regiert: Korruption und soziale Ungleichheit bleiben ein Hauptgegner, der vermutlich noch schwieriger zu besiegen ist als Deutschland im dritten Länderspielvergleich: Sowohl bei der WM 1970 (1:3) als auch in einem Freundschaftsspiel 2018 (1:2) zogen die Peruaner den Kürzeren.

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