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Noch ein bisschen Baustelle

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Von: Frank Hellmann

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Warmlaufen für die EM: die DFB-Fußballerinnen. Foto: Imago images
Warmlaufen für die EM: die DFB-Fußballerinnen. © Imago

Auf dem neuen DFB-Campus holen sich die deutschen Fußballerinnen den Feinschliff für die EM in England – dazu passt gut, dass auch die Umgebung unfertig wirkt.

Martina Voss-Tecklenburg hatte es offenkundig kaum abwarten können, am Dienstag die Vormittagseinheit beginnen zu lassen. Der Pfiff der Bundestrainerin ertönte überpünktlich um 10.29 Uhr, woraufhin sich die deutschen Fußballerinnen in ihren mintgrünen T-Shirts folgsam in einem großen Kreis versammelten. Von der Ansprache bei prächtigem Wetter vor der DFB-Akademie wäre sogar einiges zu verstehen gewesen, wenn an der großen Fassade im Hintergrund nicht unentwegt gehämmert, geschraubt oder gesägt worden wäre.

Noch ist die neue Heimat des größten deutschen Sportverbandes auf dem Gelände der ehemaligen Frankfurter Galopprennbahn nicht ganz fertig, aber es hat ja was von Wertschätzung, wenn hier zur Premiere auf den picobello Rasenplätzen erst einmal die Frauen vorstellig werden. Zudem gleicht dieses mit der Ernstnutzung betraute Ensemble auch ein bisschen einer Baustelle, weil im Hinblick auf die Frauen-EM 2022 in England (6. bis 31. Juli) mehr als Schönheitsarbeiten anstehen.

Abläufe schulen, Prinzipien festigen, Stammelf finden – vieles davon haben Voss-Tecklenburg und ihre Assistentin Britta Carlson zwar längst in der Theorie erarbeitet, doch muss es dem Kader erst in dem noch bis Donnerstag dauernden Pre-Camp in Frankfurt und danach in zwei Trainingslagern in Herzogenaurach (12. bis 18. Juni und 21. bis 29. Juni) beigebracht werden. Auch wenn die Bundestrainerin trotz ihrer vielfältigen Begabung nicht Hammer, Schraube und Säge in die Hand nimmt, betätigt sich die 54-Jährige als Baumeisterin.

Akkurat ist ausgetüftelt, wer wann wo und wie viel belastet wird; so werden jetzt die Spielerinnen des VfL Wolfsburg noch geschont, nicht aber Kapitänin Alexandra Popp, die einigen Nachholbedarf hat. Weil auch hinter der als Abwehrchefin eingeplanten Marina Hegering eine lange Leidenszeit liegt, stehen hinter dem Einsatz von zwei Schlüsselspielerinnen Fragezeichen. Nicht ohne Grund fleht Voss-Tecklenburg, „dass unsere Achse gesund und stabil ist“.

Ziel ist der Titel

Aus diesem Grund ist auch Merle Frohms zur festen Nummer eins öffentlich bestätigt worden, die dieses Vertrauen im Duell mit der selbstbewussten Konkurrentin Almuth Schult als Bestätigung wertete, „dass ich die vergangenen Monate und Jahre gut gearbeitet habe“. Die von Eintracht Frankfurt zum VfL Wolfsburg wechselnde 27-Jährige gehört zu denjenigen, die in England erstmals im Rampenlicht dem Druck standhalten müssen.

Es gibt ganz verschiedene Gründe, dass die deutsche Frauen-Nationalmannschaft nach drei Jahren Turnierpause noch nicht wieder so weit ist, dass sie bei dieser EM zu den Topfavoriten zählen. Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter Nationalmannschaften, glaubt auch, dass eine akribische Vorbereitung für den deutschen Frauenfußball noch nie so wichtig war wie jetzt. Deshalb sollen die Trainingsmaßnahmen auch nicht von zu vielen Länderspielen unterbrochen werden: Es gibt nur eines am 24. Juni in Erfurt gegen die Schweiz. Das muss irgendwie reichen, um für den EM-Auftakt gegen Dänemark am 8. Juli in Brentford gewappnet zu sein. Eine Niederlage gegen den Vize-Europameister mit seiner beim FC Chelsea spielende Weltklassestürmerin Pernille Harder könnte bereits der Anfang vom Ende aller Turnierträume bedeuten, denn vier Tage später wartet Mitfavorit Spanien auf den achtfachen Europameister.

„Bei der EM werden keine Fehler verziehen“, warnt Sara Doorsoun, die bei der EM 2017 und der WM 2019 das jeweils bittere Aus im Viertelfinale miterlebt hat. Die 30-jährige Verteidigerin von Eintracht Frankfurt findet, dass es vor allem drauf ankommt, sich auf den Unterschied zum doch eher beschaulichen Alltag in der Frauen-Bundesliga einzustellen: „Das ganze Drumherum bei einer EM oder WM ist deutlich größer als das, was wir sonst erleben.“ Daher sei es elementar, „dass man bei sich bleibt und nicht den Fokus verliert“. Denn das Ziel, sagte Doorsoun auf der digitalen Pressekonferenz am Dienstag nach dem Mittagessen im Teamhotel in Neu-Isenburg, sei eindeutig: „Wir wollen den Titel holen, ganz klar!“

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