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Nico Schlotterbeck und Kevin Trapp: Zwei neue Freunde

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Von: Jan Christian Müller

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Arm in Arm: Torwart Kevin Trapp und Nico Schlotterbeck.
Arm in Arm: Torwart Kevin Trapp und Nico Schlotterbeck. © IMAGO/Eibner

Wie ein Länderspiel gegen Israel, das lange nicht viel zu erzählen hat, plötzlich undunerwartet noch zu einer ganz eigenen Geschichte wird

Viele Menschen daheim auf der Couch dürften schon eingeschlafen sein, als es im ausverkauften Stadion von Sinsheim dann doch noch ein wenig aufregender wurde. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft führte im Testspiel komplikationslos 2:0 gegen Israel, der eingewechselte Thomas Müller hatte gerade erst einen Strafstoß mit Karacho gegen den rechten Pfosten befördert, die ersten Fans waren schon gegangen, um dem obligatorischen Stau auf der Auffahrt zur Bundesautobahn 6 in Richtung Heidelberg und Heilbronn aus dem Weg zu gehen, die letzte Minute der vierminütigen Nachspielzeit war angebrochen, alles war bereit, zum Schluss zu kommen, als der bis dahin wirklich gute Debütant Nico Schlotterbeck das bekam, was ZDF-Experte Per Mertesacker hinterher einen „Arroganzanfall“ nennen sollte.

Verteidiger Schlotterbeck schlurfte mit dem Ball an seinem besseren linken Fuß in viel zu offener Körperhaltung und noch dazu wie in Trance durch den eigenen Strafraum, konnte sich nicht recht durchringen, den Ball zu seinem Torwart Kevin Trapp zurückzuspielen, und als er noch so nachdachte, was vielleicht zu tun sein könnte als nächstes, ehe er dann ja gewiss bald das viele Lob für seinen klasse Einstand im A-Nationalteam bekommen würde, da kam auf leisen Sohlen der israelische Stürmer Yonatan Cohen herangepirscht. Schlotterbeck merkte das zu spät, er wollte den Ball dann noch irgendwie hektisch wegschießen, aber da hatte der schlaue Cohen seinen Fuß schon dort, wo eben noch das Spielgerät lag. Schlotterbeck traf also Cohens Fuß und nicht den Ball. Folglich gab es Strafstoß für Israel. Den schoss der gefoulte Cohen höchstselbst, und den entschärfte Trapp meisterlich.

Noch mal alles gut gegangen also für den selbstbewussten Schlotterbeck aus Freiburg, der alles kann, aber mitunter zu Nachlässigkeiten neigt. Dass der blondierte Bursche nicht nur ein großes Talent, sondern auch ein Hallodri ist, war vorher schon bekannt, das hatte Bundestrainer Hansi Flick schon gerügt und auch sein Freiburger Vereinstrainer Christian Streich und Schlotterbeck hatte immer brav genickt, er habe schon verstanden. Trapp, dem Teufelskerl im Tor, hat Schlotterbeck gar nicht genug danken können, die beiden werden jetzt wahrscheinlich dicke Freunde. So sah es jedenfalls aus, und Schlotterbeck versprach auch, dass er dem Kameraden ganz bestimmt einen ausgeben wird. Was aber gar nicht nötig ist, weil er im schönen Hotel der Nationalmannschaft die Soft-Getränke natürlich kostenlos gibt und niemand vor dem nächsten, viel schwierigeren Testspiel am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in den Niederlanden viel Alkohol trinkt.

Wie dem auch sei, hinterher, als Schlotterbeck den Fernsehanstalten ein Interview nach dem anderen geben musste und dazwischen am Spielfeldrand auf Hansi Flick stieß, kam es zu einem längeren Gespräch mit dem Bundestrainer.

Das trug sich nach dem, was beide später übermittelten, ungefähr so zu:

„Gutes Spiel, Junge, hast viel richtig gemacht, aber am Ende, ohjeohje...“

„Sorry, Trainer, da hab ich irgendwie gepennt.“

„Das hast du allerdings. Und es sollte dir eine Lehre sein, dass du auch in der 94. Minute noch voll konzentriert sein musst.“

„Ja, stimmt schon, aber Trappo hat den Elfer dann ja zum Glück gehalten.“

„Stimmt zwar. Bei einer WM wird so ein Bolzen aber brutal bestraft. Da hilft es dir dann gar nicht mehr, dass du vorher gut warst. Da ist man dann nämlich wegen so was vielleicht ausgeschieden.“

Ausscheiden möchte Flick bei der Weltmeisterschaft in Katar so einer Blödheit natürlich nicht wegen, der Bundestrainer denkt deshalb gerade drüber nach, das Sommertrainingslager im Sommer in Herzogenaurach mit vier Spielen in der Nations League gegen Großkaliber wie England und Italien um eine ganze Woche zu verlängern. Er kann dann mit Jungs wie Schlotterbeck noch mehr üben. Die müssten nur auf ein wenig Urlaub verzichten, was angesichts des Ziels, Weltmeister zu werden und der schönen Übernachtungsmöglichkeiten im parkähnlichen „Home Ground“ von Partner Adidas im bezaubernden Frankenland bestimmt keine Zumutung wäre.

Gegen die tapferen, aber in ihren Mitteln beschränkten Israelis gab es bis auf den Strafstoß für die deutschen Ersatztorhüter André ter Stegen (erste Halbzeit) und Trapp (zweite Halbzeit) praktisch nichts zu tun, auch deshalb, weil Filou Schlotterbeck und der Leverkusener Jonathan Tah so gute Arbeit verrichteten. Im zentralen Mittelfeld fügte Ilkay Gündogan einen weiteren unscheinbaren Auftritt im Nationalteam hinzu, auch Rückkehrer Julian Weigl fremdelte nach fünf Jahren Abstinenz sichtlich noch, der für ihn eingewechselte Debütant Anton Stach von Mainz 05 durfte reinschnuppern, ohne viel falsch zu machen, Jamal Musiala war vielleicht der Beste, Linksverteidiger David Raum nutzte den vielen Raum, der ihm gelassen wurde, lange weidlich. Timo Werner machte sein obligatorisches Tor im Adler-Dress und baute so beim FC Chelsea verlustig gegangenes Selbstvertrauen auf, Teamkollege Kai Havertz machte ein schönes Kopfballtor, weshalb Deutschland in den letzten acht Spielen sechs Standardtreffer vorweisen kann. Hansi Flick war ganz zufrieden.

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