Nagelsmann muss liefern

Nur die Champions League zählt: Der Bayer-Trainer kann sich ein mögliches Ausscheiden gegen PSG nicht erlauben. Meistertitel oder Pokalsiege sind in München nachrangig.
Seit November schwirrt dieses Spiel nun im Bayern-Kosmos umher, die Partie gegen die teuerste Fußballmannschaft der Welt, und es ist ganz sicher auch das bislang wichtigstes Spiel in der Trainerkarriere des Julian Nagelsmann. Im Grunde kommen diesen beiden Begegnungen gegen Paris St. Germain gerade zur Unzeit, die atmosphärischen Spannungen der Mannschaft mit dem smarten Coach sind mit Händen zu greifen, da stimmt es seit einiger Zeit nicht mehr so richtig. Die Julian-Nagelsmann-Euphorie, die bei den Bayern vor eineinhalb Jahren aufkam als junger, dynamischer Überflieger und die ihm auch seine erste Saison beim FC Ruhmreich überleben half, als man „nur“ als Deutscher Meister durchs Ziel gegangen war, diese Begeisterung um das Trainertalent ist merklich abgeflacht.
Julian Nagelsmann, immer noch erst 35 Jahre alt, muss jetzt liefern. Ein mögliches Ausscheiden gegen die PSG, ebenfalls gerade nicht in allerbester Topform, kann sich der Coach nicht mehr leisten. Die Latte für leitende Angestellte beim FC Bayern liegt bekanntlich höher, Meistertitel oder Pokalsiege sind nachrangig, sozusagen Beifang, das ist im Kern Standard. Das Maß aller Dinge in der Bayern-Welt ist nun mal die Champions League. Daran wird ein Trainer bei den Bayern gemessen. Und ein K.o. im Achtelfinale, selbst gegen das Pariser Starensemble, das ja nicht Villarreal ist, dürfte in der Chefetage der Säbener Straße wenig Akzeptanz finden.
Die Frage ist natürlich: Erreicht Nagelsmann noch die komplette Mannschaft? An Autorität hat er zuletzt angesichts kleinerer und größere Erschütterungen - Neuer-Rundumschlag, Gnabry-Modeposse in Paris, Tapalovic-Rausschmiss - sicher nicht gewonnen, er ist angeschlagen, längst nicht souverän. Seine grundsätzliche öffentliche Spieler-Kritik nach dem Bochum-Spiel („Nach den sehr guten ersten sechs Minuten waren wir nicht mehr gut im Spiel“) könnte womöglich ebenfalls nicht dazu führen, dass sich die Mannschaft für ihren Trainer zerreißt - so wie sie es einst für Vorgänger Hansi Flick getan hat.
Natürlich weiß das Nagelsmann alles sehr genau, er spürt die latent sich aufbauenden Nervosität, fühlt den Druck im Nacken. Gibt ihn deshalb an die Mannschaft weiter, spricht davon, gerade nicht „einen Super-Flow“ zu haben und davon, dass es mit der Leistung aus dem Bochum-Spiel „nicht reichen“ werde gegen Neymar, Messi und Co. Kann er damit seine Starspieler kitzeln? Dieses Achtelfinale wird für Bayern, für Nagelsmann eine Zäsur bedeuten, ein Wendepunkt. Zum Guten. Oder zum Schlechten.