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Nach Totalabsturz: Bayern braucht eine Grundrenovierung

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Von: Frank Hellmann

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Bediente Bosse: Hainer, Kahn und Salihamidzic (von li.).
Bediente Bosse: Hainer, Kahn und Salihamidzic (von li.). © AFP

Es wirkt inzwischen fraglich, ob selbst der Meistertitel diese missratene Saison des FC Bayern überhaupt noch retten kann. Ein Kommentar.

Vielleicht ganz gut, dass Oliver Kahn den Presseraum der Mainzer Arena nicht mehr betrat. Womöglich hätte sich der Vorstandschef des gedemütigten FC Bayern am Samstagabend auch noch den Scherzbold vorgeknöpft, der die Stecktabelle am Pfeiler verrückt hatte. An erster Stelle hing da nämlich plötzlich der FSV Mainz 05, während das Täfelchen von Bayern München auf Rang acht gerutscht war. Eben eine solch bissige Frage hatte Kahn kurz zuvor wie in „Vulkan“-Zeiten aufgeworfen: Wer war jetzt die Mannschaft hier, die Deutscher Meister werden wollte?

Nach dem 1:3 beim Underdog Mainz hat der Branchenprimus aus München nach dem Aus in DFB-Pokal und Champions League auch die Pole Position in der Bundesliga verspielt. Der FC Bayern durchläuft gerade die größte Krise der jüngeren Vergangenheit. Erstmals seit 2012 droht eine Saison ohne Titel. In der Summe ist in den letzten Wochen so viel schiefgelaufen, dass der Vorstand nicht aus der Verantwortung entkommt. Doch der von den Alphatieren Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß behutsam aufgebaute Boss Kahn denkt gar nicht an Rückzug.

Der 53-Jährige ist auch nicht das Kardinalproblem. Viel eher müsste endlich Sportvorstand Hasan Salihamidzic hinterfragt werden, der in seiner Ursachenforschung mal wieder an der Oberfläche blieb. Nicht nur in seiner Kommunikation muss „Brazzo“ noch viel lernen. Der von ihm massiv überschätzte Kader ist gerade dabei, mit Thomas Tuchel dem nächsten renommierten Fußballlehrer unlösbare Rätsel aufzugeben. Die Entscheidung, sich von Julian Nagelsmann zu trennen, war im Nachhinein ein Eigentor. Nach nicht einmal sieben Spielen hat Tuchel sich angreifbar gemacht, der an alter Wirkungsstätte das falsche Personal und die falsche Taktik wählte.

Der nach dem Champions-League-Hinspiel bei Manchester City (0:3) noch „schockverliebte“ Trainer schien selbst in Schockstarre zu verfallen – verkroch sich die meiste Zeit unter der Trainerbank, während sein Ziehsohn Bo Svensson aktiv coachte.

Aber wer kann dieser Mannschaft überhaupt Beine machen? Der Verein mit „dem besten Kader, dem höchsten Etat der Liga“ (Tuchel) beschäftigt inzwischen zu viele satte Stars. Wo ist die Gier nach dem Gewinnen hin? Siegeshungrige Anker wie einst Manuel Neuer oder Robert Lewandowski sind nicht mehr zu erkennen. Im Zentrum führt Leon Goretzka die Fraktion der Möchtegern-Führungsspieler an, deren Fehlpassquote ebenso erschreckend wirkt wie die Teilnahmslosigkeit. Und wo bitte war Joshua Kimmich in der heiklen Phase? Einer, der die Kapitänsbinde der deutschen Nationalmannschaft dauerhaft tragen möchte, spielt viel zu oft nur den Mitläufer. Es ist auch eine Frage für die DFB-Auswahl: Ist die beste Zeit von Goretzka und Kimmich, beide 28, vielleicht schon vorbei?

Und auch Thomas Müller hat seine stärkte Zeit erst dann, wenn der Wortführer ans Mikrofon tritt. Der 33-Jährige war auf dem Platz mal wieder keine Hilfe, weil ihm reihenweise technische Fehler unterliefen. Die Bayern, so viel ist gewiss, brauchen im Sommer größere Korrekturen. Ob die Grundrenovierung auch die Führungskräfte Kahn und Salihamidzic erwischt, hat sich der Aufsichtsratsvorsitzende Herbert Hainer im Erdgeschoss der Mainzer Arena bewusst offen gehalten. Es wirkt inzwischen fraglich, ob der Meistertitel diese missratene Saison noch retten kann. Der Bundesliga ist zu wünschen, dass die vielen Fehler an der Säbener Straße diesmal endlich bestraft werden - und in der richtigen Tabelle nach dem 34. Spieltag an erster Stelle wirklich ein anderer Name als Bayern München steht.

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