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Inter und AC Mailand: Wieder schwer in Mode

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Von: Frank Hellmann

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Der AC Mailand ist bereit für den großen Wurf.
Der AC Mailand ist bereit für den großen Wurf. © dpa

Die beiden Vorzeigeklubs aus Mailand können ins Halbfinale der Champions League einziehen – das Duell zwischen Milan und Inter würde Sehnsüchte aus alten Zeiten bedienen

Es ist jetzt fast knapp sieben Jahre her, als das Stadion Guiseppe Meazza im Mailänder Stadtteil San Siro eine Hülle erhielt, die Christo einst beim Verpacken des Berliner Reichstags nicht besser hinbekommen hatte. Die Europäische Fußball-Union (Uefa) verpasste der imposanten Spielstätte mit seinen elf Türmen anlässlich des Champions-League-Finale 2016 ein eigenes Branding, etwa mit Cristiano Ronaldo an der Fassade in zentraler Rolle. Schließlich duellierten sich in der Lombardei – genau wie 2014 in Lissabon – die Madrider Lokalrivalen Real und Atletico.

Für eine gerne um Trends bemühte Metropole war das damals nicht so leicht zu ertragen, als mindestens 50 000, vielleicht 60 000 Fußballfans aus der spanischen Hauptstadt die Hoheit an zentralen Plätzen übernahmen. Die lokalen Größen AC Mailand und Inter dienten bloß als Staffage. Ihre Altstars Massimo Ambrosini, Cafu oder Dejan Stankovic erzählten auf dem Fanfestival zwar Geschichten von früher, aber wer wollte das damals wirklich hören? Doch manchmal ändern sich die Zeiten schneller als gedacht: Plötzlich sind beide Mailänder Klubs in der Champions League wieder schwer in Mode.

Viel fehlt nicht, dann kommen im San Siro bald zwei Champions-League-Halbfinals zwischen Milan und Inter zur Aufführung. 80 000 Karten würden für das Stadtderby in Hin- und Rückspiel Mitte Mai hinten und vorne nicht reichen. Doch vorher müssen beide noch ihren Vorsprung im Rückspiel des Viertelfinals retten.

Die „Rossoneri“, die Rot-Schwarzen, haben im italienischen Duell beim SSC Neapel (Dienstag 21 Uhr/Dazn) ein 1:0 zu verteidigen. Die „Nerazzurri“, die Schwarz-Blauen, haben es zu Hause gegen Benfica Lissabon (Mittwoch 21 Uhr/Dazn) durch ein 2:0 auswärts etwas leichter. Allein diese Ausgangslage ist eine Sensation.

Milan, siebenmaliger Gewinner des Henkelpotts (zuletzt 2007), spielt erstmals seit elf, Inter, dreimaliger Champions-League-Sieger (zuletzt 2010), sogar seit zwölf Jahren wieder unter den Top Acht der Königsklasse mit. Der Anhang hat die Abstinenz mit einer Mischung aus Bestürzung und Gleichgültigkeit ertragen. Immerhin tröstete Milan im Vorjahr seine Gefolgschaft mit der Meisterschaft, Inter machte seine Gemeinde im Jahr zuvor mit dem Scudetto glücklich.

Und weil Napoli in diesem Jahr endlich, endlich titeltaugliche Erben eines Diego Armando Maradona hervorbringt, könnten alle auf ihre Kosten kommen. Selbst Juventus Turin hat die Chance, mit dem Gewinn der Europa League über die Hintertür die Champions-League-Bühne zu erreichen.

Die unerwartete Renaissance der gerne verschmähten Serie A ist nicht zu leugnen. Das Land des Europameisters 2021 hat fünf Klubs in die Viertelfinals der Europacupwettbewerbe gehievt. Mehr als die Premier League und La Liga – und mehr als die Bundesliga sowieso. Als Napoli im Achtelfinale Eintracht Frankfurt (2:0, 3:0) die erste von zwei Lehrstunden verpasste, sagte Trainer Luciano Spalletti: „Es wird Zeit, dass wir das Klischee vom schlechten italienischen Fußball beseitigen.“ Ausgerechnet Nationalcoach Roberto Mancini goss Wasser in den Wein, als er gegen die Wiedergeburt des italienischen Fußballs einwand: „Wenn Milan, Napoli und Inter mit 33 Italienern spielen würden, könnte man das sagen. Aber es ist noch nicht einmal die Hälfe.“ Komisch, dass solche Argumente bei englischen Klubs nie bemüht werden.

Gerade die Aushängeschilder aus der Po-Ebene haben sich neu erfunden. Nach vielen Irrungen und Wirrungen in der Post-Berlusconi-Ära leistete Legende Paolo Maldini als Sportchef beim AC Milan ganze Arbeit, indem er eine junge, spielstarke Truppe formte, in der Sandro Tonali aus der Mittelfeldzentrale heraussticht – der 22-Jährige ist inzwischen auch in der Squadra Azzurra gesetzt.

Ansonsten definiert sich dieses Kollektiv gerne über die Arbeit gegen den Ball. Schon gegen Tottenham Hotspur (1:0, 0:0) war dieser Minimalismus zu bestaunen. Gastgeber Napoli setzt nun darauf, dass ihn die Unterstützung seiner frenetischen Fans, die rechtzeitig ihres Disput mit der Klubspitze beigelegt haben, und die Genesung des zuletzt schmerzlich vermissten Unterschiedsspielers Victor Osimhen weiterhilft. Der Nigerianer ist die Attraktion am Fuße des Vesuv.

Hinter ihm gibt Lautaro Martinez den zweitbesten Schützen der Serie A. Der argentinische Weltmeister bildet mit dem belgischen Weltklassemann und Weltenbummler Romelu Lukaku den Doppelsturm bei Inter Mailand, das anders als der Lokalrivale dem typischen Catenaccio eigentlich meist abgeschworen hat. Die Interisti erleben nur gerade, wie ihr Ensemble an den großen Aufgaben wächst, während die Pflichtaufgaben vernachlässigt werden. Die Champions-League-Qualifikation wackelt nach drei Heimpleiten bedenklich. Kein Wunder, wenn viele Tifosi bereits euphorisch für das Champions-League-Endspiel am 10. Juni in Istanbul planen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist ein italienischer Vertreter dabei. Fühlt sich irgendwie besser an, als anderen den roten Teppich auszulegen.

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