Mit Volldampf und Herz

Spitzenreiter Bayer Leverkusen will im Gipfeltreffen jetzt auch den großen FC Bayern stürzen.
Beim Gedanken an die bevorstehende Mini-Winterpause befällt die meisten Spieler, Trainer und Manager in der Bundesliga gerade ein erschöpftes Lächeln. Nadiem Amiri aber interpretiert die kurze Unterbrechung bis zur Fortsetzung der Hinrunde am 2. Januar deutlich positiver, Leverkusens Mittelfeldakteur sagt über die kurze Erholungsphase nach der Jahresabschlusspartie gegen Bayern München am Samstag: „Danach ist Urlaub.“
Diesen fröhlichen Blick auf den weihnachtlichen Zwischenstopp der Liga hat Amiri auch den Verantwortlichen des Werksklubs zu verdanken: Mit ihrem Gang bis vor das unabhängige Bundesgericht des DFB setzten die Bayer-Bosse durch, dass Leverkusen sein Pokalspiel gegen Frankfurt nicht, wie ursprünglich angesetzt, einen Tag vor Heiligabend austrägt, sondern erst im Januar. Ebenso wie Wochenendgegner München, deren Antrag auf eine Verlegung des Cup-Duells bei Zweitligist Kiel zuvor ebenfalls – aber deutlich problemloser – durchgewunken worden war.
Weder Bayer noch die Bayern müssen nun also Rücksicht auf die Aufgaben im Pokal nehmen, beim ultimativen Ligagipfel zwischen dem unbesiegten Spitzenreiter aus dem Rheinland und seinem ersten Verfolger herrscht Chancengleichheit. „Das ist mal eine andere Situation für die Bayern“, kommentiert Amiri die für beide Vereine ungewohnte Tabellenkonstellation – und versicherte nach dem beeindruckenden 4:0 im Lokalderby beim 1. FC Köln am Mittwoch: „Wir sind extrem heiß, jetzt schon.“
Amiri blüht richtig auf
Die zwei spielfreien Tage zwischen der Abreibung für den Ortsrivalen und dem Besuch aus dem Freistaat nutzte Peter Bosz dazu, seiner Mannschaft mal wieder die besondere Klasse der Münchner vor Augen zu führen. So wie zuletzt Anfang Juni und Anfang Juli, als die Leverkusener den Bayern in der Liga und im Pokalfinale in Berlin jeweils klar unterlegen waren und beide Male 2:4 verloren. Doch parallel dazu ermunterte der niederländische Cheftrainer die Bayer-Profis auch, ihr in den vergangenen drei Monaten angesammeltes Selbstbewusstsein auszuleben.
„Ich werde sicher nicht versuchen, sie zu bremsen. Denn es ist immer gut, wenn Spieler ein gutes Gefühl, Selbstvertrauen und gute Laune haben“, erläuterte Bosz. Der 24-jährige Amiri, vor eineinhalb Jahren für neun Millionen Euro aus Hoffenheim geholt, gehört dabei zu denen, die seit den Sommerverkäufen von Kai Havertz und Kevin Volland eine auffallend positive Entwicklung genommen haben.
In Köln überzeugte der gebürtige Ludwigshafener vor allem mit seinen gleichermaßen geschmeidigen wie kraftvollen Antritten, einem guten Gespür für den richtigen Spielrhythmus, einer direkten und zwei indirekten Torvorlagen. Zudem begeisterte er seinen Trainer, die Teamkollegen und sich selbst, als er nach einem verlorenen Duell mit FC-Akteur Kingsley Ehizibue sofortige Gegenmaßnahmen ergriff und den Ball Sekunden später Kölns verdutztem Innenverteidiger Sava-Arangel Cestic nach einem furiosen Sprint über 20 Meter schon wieder abjagte.
Bei dieser Aktion von Amiri haben alle gejubelt – „das ist der Spirit, den wir brauchen“, betonte der 57-jährige Bosz, der sich in der Domstadt „ehrlich beeindruckt“ von seinem Team zeigte. Ebenso wie sein Kölner Pendant Markus Gisdol, den Wucht, Tempo und Siegeswille des Gegners ein wenig an die Bayern erinnerten. Und der voller Einsicht erklärte: „Man hat gesehen, warum sie auf Platz eins stehen.“
Bosz sieht den Platz an der Ligaspitze als „eine Super-Erfahrung“ für sein Team an. Und für Nadiem Amiri ist angesichts des anhaltenden Leverkusener Erfolgslaufs klar: „Natürlich ist Bayern schlagbar, jeder ist schlagbar. Man muss dafür viel Herz und Wille haben – die Qualität haben wir auf jeden Fall.“