Meilenstein am Mittellandkanal

Mit der siebten Meisterschaft untermauern die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg ihreAusnahmestellung in der Bundesliga - und innerhalb des Konzerns.
Alexandra Popp hat kein Problem damit, wenn Außenstehende sie als Feierbiest titulieren. Jubeln geht bei der mit allen Höhen und Tiefen bestens vertrauten Fußballerin fast auf Knopfdruck, und so entstanden nach einem 10:1-Kantersieg beim Absteiger Carl Zeiss Jena am frühen Sonntagabend auch ulkige Bilder, wie die 31-Jährige eine Meisterschale aus Pappmache vereinnahmte.
„Wir haben definitiv bewiesen, dass es die Wachablösung nicht gibt. Dazu gehört mehr, als nur einmal Meister zu werden“, sagte die wegen einer Platzwunde am Kopf mit einem Turban kickende Nationalelfkapitänin in Richtung des FC Bayern, der in allen Wettbewerben früher scheiterte als die weiter extrem erfolgshungrigen „Wölfinnen“.
„Keiner hat uns so wirklich vor der Saison auf dem Zettel gehabt“, erinnerte der Sportliche Leiter Ralf Kellermann, „deshalb ist das ein ganz besonderer Titel.“
Mit der siebten Meisterschaft hat der Werksverein seit Gründung der Frauen-Bundesliga mit dem früheren Abonnementsmeister 1. FFC Frankfurt gleichgezogen.
Deren Nachfolgerverein Eintracht Frankfurt verliert nun Nationaltorhüterin Merle Frohms an die Niedersachsen. Auch Toptalent Jule Brand (TSG Hoffenheim) und die Abwehrspielerinnen Marina Hegering (FC Bayern) und Sara Agrez (Turbine Potsdam) zieht es an den Mittellandkanal, wo der Kader für die immer anspruchsvolleren Herausforderungen im neuen Champions-League-Format noch besser in der Breite aufgestellt werden soll. Eine Lehrstunde wie das 1:5 im Halbfinale beim FC Barcelona vor der Weltrekordkulisse im Camp Nou soll einmalig bleiben.
Es war der einzige Aussetzer eines Ensembles, das unter Cheftrainer Tommy Stroot und seinen Assistentinnen Kim Kulig und Sabrina Eckhoff viel schneller zusammengefunden hat als viele dachten. Wie der 33-Jährige speziell in der Stressphase der Rückrunde von Erfolg zu Erfolg eilte, verdient Respekt. Stroots Anteil würdigte auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg in ihrem Glückwunsch („Ihm ist es im ersten Jahr gelungen, die hohen Erwartungen zu erfüllen“) ganz besonders.
Das Double winkt
Der Meisterschaft soll noch der Pokalsieg folgen. Im Endspiel gegen Turbine Potsdam geht der VfL am 28. Mai in Köln allein deshalb schon als Favorit, weil der Verein seit 2015 ein Abonnement auf diese Trophäe besitzt. Es wird zugleich das Abschiedsspiel für Torhüterin Almuth Schult, die es danach zum FC Angel City in die US-Profiliga NWSL zieht. „Im Vergleich zu allen anderen Mannschaften haben wir die größte Entwicklung genommen“, fand die 31-Jährige. Nicht für sie wäre das Double ein schönes Abschiedsgeschenk, sondern auch ein feines Kontrastprogramm zu den mal wieder nicht ganz so erfolgreichen Männern.
Deren Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag innerhalb der VfL Wolfsburg Fußball GmbH, einer 100-prozentigen VW-Tochter, hatte zuletzt VW-Vorstandschef Herbert Diess bei einem Medientalk deutlich angeprangert: Während Diess die Leistungen der Männer als „zu schwach“ geißelte, seien die Frauen „ein Lichtblick“. Zumal sie mit weniger als einem Zehntel der Zuwendungen von rund 70 bis 75 Millionen Euro an die Bundesliga-Männer auskommen. Zur Wahrheit gehört aber, dass auch die Frauen-Bundesliga ein reines Zuschussgeschäft ist.
Erst vergangene Woche hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die wirtschaftlichen Kennzahlen öffentlich gemacht. Einem durchschnittlichen Umsatz pro Klub von 1,26 Millionen Euro steht inzwischen ein Aufwand von 2,46 Millionen gegenüber. Allein die Gehälter (1,35 Millionen) sind höher als die Gesamteinnahmen und würden laut Liga-Sprecher Siegfried Dietrich (Eintracht Frankfurt) weiterhin „signifikant steigen“. Der DFB sieht die Rekordverluste als unproblematisch an und begrüßt die „hohe Investitionsbereitschaft“ der Lizenzvereine.
Dietrich glaubt übrigens fest daran, dass man mit Frauenfußball in ein paar Jahren „Geld verdienen kann“. Seine kühne Prognose geht auch dahin, dass sich die stagnierenden Zahlen der Zuschauer:innen in der Frauen-Bundesliga in drei Jahren verdoppelt haben werden. Der VfL Wolfsburg ist insofern auch hier jetzt Vorreiter, weil er zum Halbfinal-Rückspiel gegen Barcelona kürzlich mehr als 22 000 Fans in die werkseigene Arena lockte. Das letzte Heimspiel gegen Bayer Leverkusen (Sonntag 14 Uhr/NDR) steigt zwar wieder im kleineren Rahmen, dann jedoch gibt es endlich die echte Schale.