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Mehr als eine Ergebniskrise

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Von: Daniel Schmitt, Hanna Raif

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Unter Beobachtung: Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.
Unter Beobachtung: Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. © dpa

Die Bayern spielen seltsam uninspiriert, die Klubbosse schlagen Alarm, Trainer Nagelsmann aber verniedlicht die Situation - kann das gutgehen?.

Das Antrittsgeschenk von Julian Nagelsmann gab es mit eineinhalbjähriger Verspätung. Die Corona-Krise hatte es lange nicht möglich gemacht, aber vor zwei Wochen organisierte der Trainer des FC Bayern München den rund 1000 Mitarbeitenden des Vereins ein exklusives Konzert des deutschen Hip-Hopper Jan Delay. Es ging ordentlich ab, ein gelöster Start ins Jahr. Doch Ende Januar und ein tristes 1:1-Triple später sieht die Lage gänzlich anders aus. Angespannt. Für alle – vor allem für Nagelsmann selbst.

Es ist ja nicht so, als sei vor vielem, was da in der ersten Fußballwoche 2023 passiert ist, nicht gewarnt worden. In einer Saison, deren Taktung für alle Neuland ist, war zu erwarten, dass die Beine langsamer und die Köpfe müder werden, die Angriffe unkreativer und die letzten Meter anstrengender. Allerdings ist das Bild, das der FC Bayern zum Start in die Post-WM-Halbserie abgibt, von deutlich mehr negativen Eindrücken geprägt als schlechten Ergebnissen. Die Verletzung von Manuel Neuer hat – Achtung, Schnee-Scherz – eine Lawine losgetreten, die noch immer rollt. Auch die unnötige Diskussion um „Gucci-Gnabry“ ist gewiss keine Hilfe.

Kahn: „Es geht um sehr viel“

Dass es laut Coach Nagelsmann „Schlimmeres im Leben“ gibt, als drei Spiele nacheinander nicht gewinnen zu können, ist sicher richtig, kommt im Kosmos des FC Bayern aber doch einer mittelschweren Krise gleich. Zumal die Münchner Leistung am Samstag gegen Eintracht Frankfurt doch ziemlich seltsam daherkam. Anfangs konzentriert, motiviert, erfolgreich mit dem Führungstreffer von Leroy Sané, in einem schleichenden Prozess aber immer träger, uninspirierter, fahriger.

Einstellungs- und Haltungsfragen werden derzeit rund um die Säbener Straße diskutiert, sogar von Spielern, dem Trainer und den Klubbossen selbst thematisiert - das lässt tief blicken. Irgendwas, und so genau ist das von außen gar nicht zu benennen, scheint da aus den Fugen geraten zu sein.

„Objektiv fällt auf, dass das zwei Mannschaften sind. Das war die Mannschaft vor der Weltmeisterschaft. Und das ist jetzt die Mannschaft nach der Weltmeisterschaft. Der Unterschied zum Herbst ist ersichtlich, da hatten wir unglaublich viele Torchancen und haben einfach die Tore nicht gemacht. Jetzt ist das nicht der Fall“, sagt Olver Kahn, der Vorstandschef, und meint: Die Leichtigkeit ist futsch.

Die Klubverantwortlichen sind spürbar nervös, und es ist daher auch kein Zufall, dass das Pokal-Achtelfinale, das da am Mittwoch beim FSV Mainz 05 ansteht, intern schon lange explizit thematisiert wird. Ein drittes frühes Ausscheiden hintereinander – das zweite in der Ära von Nagelsmann – darf es nicht geben, so die Ansage von oben. Wenn das Team den ersten Titel erneut früh verspielen würde, stünde das große Ganze infrage – mit nüchternem Ergebnis. „Es geht jetzt auch schon um sehr viel“, sagte Kahn am Samstag. Vom Champions-League-Kracher gegen Paris Saint-Germain Mitte Februar wollte er da noch gar nicht sprechen.

Die Aufholjagd in der Liga aus der Vor-WM-Phase jedenfalls hat darüber hinweggetäuscht, dass die 36 Punkte am Ende der Hinrunde die schwächste Punkteausbeute eines Herbstmeisters seit Bayer Leverkusen 2010/11 waren. Und man stelle sich mal vor, nicht Union Berlin wäre derzeit ärgster Bayern-Verfolger, oder RB Leipzig hätte es von Beginn an mit Marco Rose als Cheftrainer probiert - die Münchner Sorgen wären wohl noch größer und der Vorsprung kleiner oder vielleicht gar nicht vorhanden. Dass Julian Nagelsmann die aktuelle Phase als „Ergebniskrise“ benennt, klingt da doch ziemlich verniedlichend.

Kredit bei seinen Chefs hat der Trainer dennoch weiterhin, wenngleich er spätestens jetzt mehr denn je unter Beobachtung steht.

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