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Mario Götze: Bindeglied zwischen den Generationen

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Von: Jan Christian Müller

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Lebt die Liebe zum Spiel vor: Mario Götze.
Lebt die Liebe zum Spiel vor: Mario Götze. © Imago

Mario Götze ist der Älteste bei der Nationalmannschaft. Und doch ist er es, der auf den Sozialen Netzwerken jüngere Generationen fürs Nationalteam begeistern soll. Weil er alles mit allem verbindet.

Mario Götze erfüllt gerade eine Doppelaufgabe. Er ist, einerseits, der Elder Statesman der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Und er ist, andererseits, der Bursche, der zu den Sozialen Netzwerken der Jungen und sehr Jungen - Instagram und TikTok - keine Berührung scheut.

Kein Feldspieler im Kader ist älter, keiner erfahrener als der offensive Mittelfeldmann von Eintracht Frankfurt. Keiner hat höhere Hochs und tiefere Tiefs erlebt als der 30-Jährige: mit 16 als bester Turnierspieler der deutschen U17-Europameister im eigenen Land geehrt, mit 18 Debüt im A-Team, mit 19 hemmungslos abgefeiert als „weißer Brasilianer“ beim 3:2-Sieg gegen die Südamerikaner in Stuttgart, Millionentransfer nach München, frustrierter Ersatzspieler beim FC Bayern, wenig Einsatzzeiten bei der WM 2014, plötzlich als Joker der Superheld mit seinem Kunstschuss ins Glück im WM-Finale in Rio. Die Welt lag ihm zu Füßen. Rückkehr nach Dortmund, Stoffwechselerkrankung, drohendes Karriereende, Transfer in die weniger beachtete niederländische Eredivisie, dort Wiederbelebung als großer Könner, Wechsel nach Frankfurt, Führungskraft, die mit der Mannschaft gerade durchhängt, aber aufgrund ihrer Top-Performance zuvor zum deutschen WM-Kader 2022 gehörte.

Hansi Flick hat Götze – im Gegensatz zu anderen etablierten Kräften – jetzt wieder nominiert. Die aktuelle Formdelle spielte weniger eine Rolle als die Fertigkeiten und die Führungsqualitäten. Götze kennt seine Rolle, er ist kein selbstverständlicher Startelfspieler, wiewohl es nicht wenige Fachleute gibt, die ihn bei der WM zumindest im letzten Vorrundenspiel gegen Costa Rica dort gern gesehen hätten. Weil er Lösungen für die kleinen Räume hat, die andere gar nicht sehen.

In diesen Tagen der Vorbereitung mit der Nationalmannschaft auf die Testspiele gegen Peru (20.45 Uhr/ZDF) in Mainz und drei Tage später gegen Belgien in Köln hat der Deutsche Fußball-Bund nicht nur Bilder und Reels der Trainingseinheiten auf dem Gelände des DFB-Campus auf seinen Online-Plattformen bespielt, sondern auch Begebenheiten, die nicht ausnahmslos Zwecken der körperlichen Ertüchtigung der Nationalspieler dienen. Kleine Storys, die dafür sorgen sollen, dass nicht nur die Generation Rudi Völler sich fortan wieder mehr mit einem Nationalteam identifiziert, deren Image schon mal besser war. Auch die zwischen 1995 und 2010 geborene „Generation Z“ soll sich am erkalteten Lagerfeuer der Nation erwärmen.

Mario Götze ist, ebenso wie Vereinskollege Kevin Trapp, gern dabei, wenn die Zwillingsschwestern Lisa und Lena – Stars auf TikTok und Instagram – auf dem Trainingsplatz vorbeischauen und dabei mal eben 19,2 Millionen Follower mitbringen. Oder wenn Fußball-Freestyler Marcel Gurk seine Kunststückchen präsentiert, die den 23-Jährigen schon ins „Guinnessbuch der Rekorde“ gebracht haben: Win-Win-Situationen für alle Beteiligten inklusive des Verbands.

„Es geht darum, Synergien zu bauen und ein Vorbild für jüngere Generationen zu sein“, erklärt Götze routiniert. Auf Instagram hat er mehr als acht Millionen Follower, seine Ehefrau Ann-Kathrin, eine in ihrer Blase bekannte Influencerin, immerhin fast zwei Millionen. Mario Götze ist auch im etwas gesetzteren Fußballeralter offen für Welten, die bei seinem Länderspieldebüt vor 13 Jahren – einem ansonsten tristen 0:0 bei Minustemperaturen in Göteborg gegen Schweden – noch überhaupt keine Rolle spielten.

Seine Züge sind härter geworden über die Jahre. Er hat es sich angeeignet, sein Seelenleben sorgsam zu verhüllen. Als der 84 Jahre alter Reporter Hartmut Scherzer ihm in der Pressekonferenz am Donnerstag seine, also Götzes, bewegende Karriere vorträgt und wissen will, wie er die „große Enttäuschung“ in Katar verarbeitet habe, demonstriert der Fußballer maximale Gelassenheit. „Zum Profileben gehören auch die nicht so guten Tage. Es wäre schön, wenn es im Fußball immer nur nach oben gehen würde, aber das ist nicht der Fall.“ Umso schöner, „wenn man nun wieder eine neue Challenge vor sich hat“. Man sieht dem Mann an, dass ihn so schnell nichts mehr umwirft. Er hat sich professionell damit abgefunden, dass er in Katar nur als Einwechselspieler ins Laufen kam. Das Erlebnis im alten, neuen Kreis der Auserwählten möchte er dennoch nicht missen.

Auch behagt es ihm nicht sonderlich, das Thema EM 2014 jetzt schon allzu hoch zu hängen. „Step by step“ gehen, lautet sein väterlicher Rat, „es ist eine Reise zum Turnier“. Den vielen jungen Spielern im Kader möchte er ein Vorbild sein, aber nicht auf eine schulmeisterliche Art und Weise. „Ich bin ein Fan davon, es vorzuleben, am Ende muss jeder selbst entscheiden, was er davon mitnimmt. Das ist meine Art, anderen etwas zu geben.“

Fragen nach der aktuellen Schaffenskrise bei Eintracht Frankfurt lässt Mario Götze an sich abprallen wie einen Doppelpass. Es sei eine große Herausforderung, über eine ganze Saison hinweg Topleistungen abzurufen, „momentan sind wir nicht so zwingend, nicht so effizient“. Die Parallelen sind offenkundig: Fürs Nationalteam galt diese Analyse zuletzt ja auch.

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