Manuel Neuer zählt die Tage rückwärts

Der Nationaltorwart kommt in der Reha gut voran und wird beim FC Bayern heiß ersehnt.
Die Laune ist gut. Das konnte man am Sonntag sehen. Hier ein Foto, dort ein kleiner Plausch, dazu nette Worte mit Freundin Anika Bissel und natürlich: zwei Mal großer Jubel. Das 2:0 des FC Bayern gegen Hertha BSC verfolgte Manuel Neuer in der Münchner Arena wie gewohnt aus dem Unterrang der Haupttribüne, aber die Bilder, die da vom verletzten Kapitän die Runde machten, waren deutlich positiver als noch zuletzt. Das lag zum einen daran, dass seinen Kollegen auf dem Platz trotz durchwachsener Vorstellung der Sprung zurück an die Tabellenspitze gelang. Aber auch daran, dass seine lange Reha sich auf der Zielgeraden befindet. Neuers Leidenszeit ist nach fünf Monaten so gut wie vorbei .
Ein genaues Datum gibt es noch nicht, aber dass die Tage ab sofort rückwärts gezählt werden können, berichtet jeder, der Neuers tägliche Arbeit im Kraftraum verfolgt. Zwei, drei Wochen, vielleicht ein paar Tage mehr, wird es noch dauern, ehe der Kapitän den Schritt zurück auf den Rasen wagen wird. Super im Fluss, heißt es, sei der 37-Jährige. Der Plan, den er kurz nach seinem Skiunfall und der anschließenden Operation am Unterschenkel mit den behandelnden Ärzten ausgeklügelt hat, ist voll aufgegangen. Im absoluten Soll, womöglich sogar ein wenig davor, ist Neuer, der noch im Laufe der Rückrunde für leichtes Lauftraining und torwartspezifische Übungen auf den Platz gehen wird. Am 1. Juli dann will er bei vollen Kräften sein, um die Vorbereitung auf die neue Saison zu starten. Als Nummer eins, versteht sich. Denn an Neuers Anspruch und auch seiner Selbstwahrnehmung hat die lange Fehlzeit nichts geändert, gar nichts.
All das, was da in den vergangenen Monaten links und rechts von ihm passiert ist, hat Patient Neuer verfolgt. Er hat aber bewusst sein eigenes Ziel in den Vordergrund gestellt und auf Dinge verzichtet, die er wenig beeinflussen konnte. So war es dem Vernehmen nach kein Zufall, dass Neuer erst Mitte Februar zum Heimspiel gegen PSG das erste Mal in der Arena gesehen wurde – und auch nicht, dass er sich die Reisen zu den wichtigen Auswärtsspielen in Paris und Manchester sparte.
Stets im Kopf hatte er das Verletzungsrisiko mit Krücken auf rutschigen Arena-Stufen, dazu 90 unkomfortable Minuten, dicht an dicht. Auch Flugreisen wären der Genesung nicht förderlich gewesen. Champions-League-Trips liefen für Neuer in diesem Jahr unter dem Motto „Drei verlorene Trainingstage“. Also lieber daheim bleiben und: arbeiten, arbeiten, arbeiten.
Der Fleiß zahlt sich jetzt aus. Neuer brennt auf die Rückkehr – und auch das Team sehnt seinen Kapitän herbei. Dass Neuers Führung der gebeutelten Mannschaft fehlt, war in dieser verkorksten Rückrunde nicht nur ein Mal zu hören. Man sieht sich zwar täglich, tauscht sich aus. Neuer aber hat keine Ansprachen gehalten. Dass die Gemengelage in seinem Klub nicht gut ist, ist ihm bewusst. Und es war wichtig für ihn, den Unmut über seine persönliche Situation – und das Aus von Intimus und Torwarttrainer Toni Tapalovic – ein Mal öffentlich kundzutun. Nach dem SZ-Interview im Februar aber war der Kopf frei und der Fokus wieder gesetzt.
Neuer macht sein Ding, dabei wird es bleiben. Und so ist es auch nur logisch, dass der den angeblichen Konkurrenzkampf im Tor nicht scheut. Thomas Tuchel, so ist zu hören, baut auf seinen Kapitän, auch der Austausch mit Tapalovic-Nachfolger Michael Rechner ist konstruktiv und gewinnbringend – und Yann Sommer würden beim Wunsch nach einen Wechsel keine Steine in den Weg gelegt werden. Auch das Tor ist, davon kann man ausgehen, ab Juli wieder: Chefsache.