1. Startseite
  2. Sport
  3. Fußball

Mainz 05 gegen den FC Bayern: Klettergruppe mit bester Aussicht

Erstellt:

Von: Jan Christian Müller

Kommentare

Kann selbst einen Jo Kimmich nerven: Leandro Barreiro.
Kann selbst einen Jo Kimmich nerven: Leandro Barreiro. © dpa

Bei Mainz 05 findet Trainer Bo Svensson auch nach dem 3:1 gegen den FC Bayern München Anlass zu Kritik, ist aber auch stolz auf seine Spieler.

Hinterher war Bo Svensson dann doch „stolz“ auf seine Mannschaft. Aber Svensson wäre nicht er selbst, wenn es den Dänen trotz eines 3:1-Sieges nach 0:1-Rückstand gegen den vormaligen Tabellenführer nicht zur Aufarbeitung drängen würde. Der Thomas-Tuchel-Klon in ihm war zu groß. Und so fand der Trainer von Mainz 05 Anlass zur Kritik, die auch formuliert werden musste: „Die erste Halbzeit war wirklich schlecht, die zweite Halbzeit einen Tick besser, aber auch da waren wir bis zum 1:1 nur die zweitbeste Mannschaft.“

So spricht ein Fußballlehrer, der noch mit ein wenig Videomaterial daherkommen will, weil er auch beim siebten Sieg im zehnten ungeschlagenen Spiel in Serie Optimierungspotenzial erkannt hatte. Natürlich hat auch Svensson längst Lunte gerochen, Europa ist auch ohne Fernrohr erkennbar, Die Nullfünfer sind zwei Punkte besser als der nächste Gegner Wolfsburg, zudem deren drei Zähler vor Eintracht Frankfurt, Kontrahent in drei Wochen. Auch wenn es am Ende nicht reichen sollte: Der Trainer hat es nicht zum ersten Mal geschafft, aus dem Ganzen mehr zu machen als die Summe seiner Einzelteile eigentlich hergibt.

In der Pause hatte Svensson dringenden Gesprächsbedarf angemeldet, was sich ungefähr so angehört haben muss: „Jungs, wir haben neun Spiele nicht verloren. Seid mutiger. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben vor den Bayern.“ Den gab es tatsächlich nicht an diesem erinnerungswürdigen Nachmittag in Mainz, als 15 Minuten reichten, um den Abo-Meister nach allen Regeln der Waidmannskunst zu zerlegen.

Besonders ein schmales Bürschchen mit sorgsam geflochtenen Rastalocken, 23 Jahre alt und schon als Teenager vom ehemaligen Nachwuchstrainer Svensson höchstpersönlich entdeckt und aus Luxemburg nach Rheinhessen gelotst, machte dabei nachhaltig auf sich aufmerksam. Leandro Barreiro bearbeitete abwechselnd Joshua Kimmich, Jamal Musiala und Leon Goretzka unbarmherzig und unentwegt - und fand dennoch mehrfach die Gelegenheit, sich dem Münchner Tor bedrohlich zu nähern. Das führte zum 2:1, dem der eingewechselte Spanier Aaron Martin an dessen 26. Geburtstag bald das 3:1 folgen ließ. Zuvor war Ludovig Ajorque das fünfte Tor im fünften Spiel in Folge gelungen. Ein „Wahnsinnskerl“, frohlockte Sportchef Martin Schmidt und lobte sich dabei ganz zu Recht auch ein bisschen selbst für den klugen Wintertransfer.

Manchmal scheint es, die Mainzer wüssten selber nicht, wie ihnen gerade geschieht. Nach Spielen hatten sie jahrzehntelang unerkannt die Arena verlassen können. Mittlerweile wird das Spalier begeisterter Fans vorm Spielerausgang immer voluminöser. „Alles ist noch möglich in dieser Saison“, sagt Angreifer Karim Onisiwo. Der Österreicher hat schon früh in der Saison das Gefühl gehabt, dass diese Gruppe enger beisammen und stärker ist, als er das in seinen sieben Jahren im Klub jemals erleben durfte. Der Sieg gegen die Bayern habe gezeigt, „was es bringt, wenn man zusammenhält“. So was kann Berge versetzen. Dann sehen bayerischen Alpen plötzlich aus wie eine sanfte rheinische Hügellandschaft. Die Mainzer Klettergruppe hat es sich dann leicht gemacht. Mit Tempo hoch und die Aussicht genießen.

Auch interessant

Kommentare