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Mit angezogener Handbremse

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Von: Frank Hellmann

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Yussuf Poulsen (r.) von RB Leipzig im Zweikampf mit Serge Gnabry (l.).
Yussuf Poulsen (r.) von RB Leipzig im Zweikampf mit Serge Gnabry (l.). © rtr

RB Leipzig sollte im Pokalfinale gegen die Bayern vor allem offensiv mehr anbieten.

Die Frage ist müßig, ob in heutigen Zeiten so etwas sein muss: Da saust ein Motorrad mit ohrenbetäubendem Getöse kurz vor Anpfiff in eine vollbesetzte Fußballarena. Der Fahrer dreht am Gaspedal, steuert das Gefährt mühsam zwischen Werbebanden und Trainerbank durch die engen Lücken, um dann vor jeder Tribüne mit qualmenden Reifen eine riesige Rauchwolke zu produzieren. Aber so geht das eben in der auf Höchstgeschwindigkeit gepolten Red-Bull-Welt, zu der ja nicht nur der Fußball, sondern auch der Motorsport gehört.

Und vor der Nullnummer gegen den FC Bayern gehörte eben dem fünfmaligen MotoGP-Weltmeisters Marc Marquez die Bühne. Der spanische Ehrengast durfte für sein Sommerrennen auf dem Sachsenring werben. Seine Prognose für das Topspiel („Ich glaube, RB wird gewinnen“) ist dann zwar nicht aufgegangen, aber das war beileibe nicht so schlimm wie die jüngste Niederlage seiner Lieblingsmannschaft: Das ist nämlich der FC Barcelona. Was der Motorrad-Held in der Brause-Arena anstellte, könnte jedoch ein gutes Sinnbild fürs deutsche Pokalendspiel sein: Auch die Roten Bullen sind auf dem Rasen nicht durchgestartet, sondern haben nur so getan. Voll Power gibt es bei den Sachsen erst zu besichtigen, wenn am 25. Mai das zweite Duell gegen die Bayern ansteht.

Die Zurückhaltung hatte zum einen damit zu tun, dass Antreiber Kevin Kampl als Ideengeber aus dem zentralen Mittelfeld gesperrt fehlte. Aber vielmehr mangelte es „an den letzten fünf Prozent Adrenalin“, wie Trainer Ralf Rangnick ausführte, der sogleich in Richtung Berlin schlussfolgerte: „Ich glaube nicht, dass das Spiel irgendwelche Rückschlüsse aufs Pokalfinale erlaubt.“ Noch weniger vermutlich auch der Saisonkehraus am Samstag bei Werder Bremen. Entgegen ersten Beteuerungen, mit offenen Karten spielen zu wollen, hatte Ralf Rangnick sein Blatt am heimischen Elsterbecken nicht vollumfänglich aufgedeckt.

Gulacsi macht es klasse

Gut, die weitgehend sicher stehende Viererkette mit dem bis auf eine Szene überragenden Innenverteidiger Ibrahima Konate könnte eine gute Blaupause sein, um Mittelstürmer Robert Lewandowski zu bekämpfen, aber in der Gegenrichtung hielt sich Rangnicks Elf fast vornehm zurück. „Offensiv können und müssen wir besser spielen“, sagte der ehrgeizige Lehrmeister, dem es zunächst reichte, „wie wir als Mannschaft verteidigt haben.“

„Letztes Mal haben wir in München drei Stück gekriegt. Jetzt haben wir zu Null gespielt“, erinnerte Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer an die Fortschritte gegenüber dem Hinspiel. Erstmals gelang es überhaupt, gegen diesen Gegner ohne Gegentreffer über die Runden zu kommen. Torwart Peter Gulacsi, der unterschätzte Klassemann zwischen den Leipziger Pfosten, freute sich naturgemäß über diesen Fakt besonders und blickte voraus: „Im Pokalfinale wird es ein ähnliches Spiel. Wir müssen wieder so gut gegen den Ball arbeiten.“

Allerdings sollten sich mit dem Ball die Stürmer Timo Werner und Yussuf Poulsen häufiger gegen die Abwehrspieler durchsetzen und die nachrückenden Schrittmacher Emil Forsberg und Marcel Sabitzer neue Ideen einbringen. Rangnick kritisierte denn auch „die negativen Laufwege“ seiner Offensivkräfte.

Aber wofür hat der 60-jährige Taktiktüftler denn noch zwei Wochen Zeit, um die Lehrpläne am Cottaweg dahingehend zu verfeinern. Allemal gibt es genügend Indizien, dass sich in der Hauptstadt ein deutlich fesselnderes Fußballspiel entwickelt. „Uns hat diesmal ein Stück weit die Kreativität im letzten Drittel gefehlt“, erklärte Willi Orban, der fürs Endspiel an einen engen Ausgang glaubt: „Da werden Nuancen entscheiden.“ Fest steht: Dann drücken alle Protogonisten mit dem Bullenlogo an der Arbeitskleidung auf bis zum Anschlag. Und nicht nur Marc Marquez am Spielfeldrand.

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